Salvator Mundi in Riyadh

Hanseat wird Hüter des Da-Vinci-Meisterwerks
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Foto: Saudische Museumskommission, Wikimedia Commons

In diesen Tagen wird der westliche Kulturzirkus wieder einmal aufgeschreckt. Denn eine Nation außerhalb des eigenen Kulturkreises erdreistet sich, ein Museum zu planen, das sich der Kunst der gesamten Welt widmen soll. Aus Saudi-Arabien kommen nämlich erste Details über das große “Museum der Weltkulturen” in Riyadh, dessen Gebäude momentan noch im Bau und Ausstellungsinhalte in Planung sind.

Für die westliche Mainstream-Presse ist der Gegenstand eigentlich egal: Es reicht, daß ein Thema auch nur entfernt mit Saudi-Arabien zu tun hat, um Auflagenzahlen, Klickzahlen oder Einschaltquoten zu erhöhen. Denn es findet sich immer ein negativer Ansatz für die Berichterstattung. Wenn sich dann noch der gegenwärtige Thronfolger und Premierminister in der Geschichte unterbringen lässt: Umso verlockender!

Aufhänger der aktuellen Meldungen, die den europäischen Kulturbetrieb gerade in neidvolle Schnappatmung versetzen, ist das spätmittelalterliche Gemälde “Salvator Mundi” (“Erlöser der Welt”). Es soll einer der großen Schätze im neuen “Museum der Weltkulturen” in Riyadh werden, das von der Presse gerne mit dem negativen Attribut “Supermuseum” versehen wird (bei allem, was mit “super” beginnt, schwingt immer etwas Wahnsinn mit). Das Ölbild auf Walnußtafel zeigt Jesus Christus und wird Leonaro Da Vinci zugeschrieben. Über den Urheber streiten sich Kunstexperten seit einigen Jahrzehnten leidenschaftlich, was bei einem Werk diesen Kalibers keine Seltenheit ist. Denn “Salvator Mundi” ist eines von nur fünfzehn Ölgemälden Da Vincis. Und es ist das gegenwärtig teuerste Bild der Welt. Christie’s in New York konnte es 2017 für rund 380 Millionen Euro verkaufen – bei einem Schätzwert von 90 Millionen Euro und 45 Geboten. An wen? Nun, bei außergewöhnlichen Auktionen, bei denen es um gigantische kulturelle wie monetäre Werte geht, bleiben die Käufer üblicherweise diskret im Hintergrund. Das hat praktische Gründe. Neben dem Sicherheitsaspekt sind es nur selten Personen, die diese Werte kaufen, sondern Finanzierungsgesellschaften, Investoren oder Kunstvermittler. Und für diese ist der Kauf ein wirtschaftlicher, weniger ein emotionaler Akt. Die Medien haben daraus eine Geheimaffaire gemacht – Staatspräsidenten sollen darin verwickelt sein und die besten Museen der Welt, meint die BBC. Das Ölbild sei nach der Auktion verschollen, so schwurbelt die Frankfurter Rundschau, es sei versteckt worden – in ein Geheimarchiv in die Schweiz verlagert. Oder Kronprinz Mohammed Bin Salman habe es sich an die Wand gehängt, so kann man lesen, in einem seiner Paläste…oder in seiner Luxusyacht.

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Das Gemälde aus dem Jahr 1500 hat eine lange und lückenhafte Geschichte. Es läßt sich in königlichen Sammlungen nachweisen, hing aber auch lange Zeit vergessen in einem profanen Treppenhaus. Bald ist es der Schatz eines neuen Museums in Riyadh

Natürlich lag es nahe, dass nach der Auktion die Gerüchteküche brodelte. So war es bisher immer bei jeder großen Auktion. Wer hat das Christusbild gekauft, oder in wessen Auftrag für wen? Zeitungsberichte und TV-Dokumentationen haben sich dem Thema mehrfach angenommen und verschiedene Mutmaßungen angestellt. Schnell waren “Die Araber” im Spiel – das alteuropäische Kunst-Kleinod sollte von Abu Dhabi gekauft worden sein. Oder noch schlimmer, noch auflagenstärker: Vom saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman persönlich! Die Stoßrichtung der westlichen Presse war schnell klar: Herabwürdigen des Kunstwerks durch Diskreditierung seiner Provenienz und Anzweifeln der Urheberschaft, um seinen kulturellen und monetären Wert zu unterminieren. Das wäre doch ein Scoop, wenn man beweisen könnte, daß die Saudis für die vielen Millionen gar keinen echten Leonardo Da Vinci gekauft hätten! Medienhäuser befragten Kunstexperten, ließen eigene Ferngutachten erstellen und schürten Hoffnung auf Schadenfreude. Die Vorstellung, daß demnächst ein echter Leonardo Da Vinci in einem asiatischen Museum hängen soll, ist wohl fast unerträglich für den westlichen Kunstbetrieb…hingegen ist es ganz okay, daß europäische Nationen ihre Museen in Wien, London oder Madrid seit Jahrhunderten mit Kunstwerken aus aller Welt füllen. Auch die Tatsache, dass erst einmal 44 Gebote den Kaufpreis in die Höhe trieben, bevor dann der Zuschlag zum gigantischen Endpreis erfolgte, interessiert die Medien nicht – zu verwirrend das Ganze. Simpel ist besser: “Die Saudis kaufen mit ihren ölvermierten Millionen europäische Kunst”.

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In zwei Jahren soll das “Museum der Weltkulturen” eröffnet werden und in ein 110 Meter hohes Gebäude einziehen, das eine Zeichnung des spanischen Architekten Ricardo Bofill ist, dessen Büro auch die Architektur des Resorts Utamo SaudiMag in NEOM entwickelt hat. Standort ist der Königliche Kunstkomplex im King Salman Park in Riyadh. Das Haus markiert den Grundstein einer neuen Kunstsammlung in Asien und den Auftakt zur “kulturellen Renaissance Saudi-Arabiens”, so die offizielle Presseerklärung. Die Ausstellung wird das Erbe Saudi-Arabiens und der arabischen Halbinsel zeigen und die Kulturen beleuchten, die sich im Laufe der Zeit von Afrika über Asien, Europa, Ozeanien und Amerika ausgebreitet haben.

Hartwig Fischer

Eine Anekdote können wir im #SaudiMag nicht unerzählt lassen, eine Personalie in Verbindung mit dem neuen Museum. So hat die saudi-arabische Museumskommission den deutschen Kunsthistoriker, Hanseaten und Kosmopoliten Dr. Hartwig Fischer zum Gründungsdirektor des Museums der Weltkulturen ernannt. Der angesehene Wissenschaftler bringt mehr als 30 Jahre Erfahrung in den großen Kultureinrichtungen in Europa mit. Er wird sozusagen neuer Hüter und Beschützer von Salvator Mundi, dem kostbarsten Gemälde der Welt. Nachdem er – pikanto, pikanto – eben erst nach einem Diebstahlskandal von seinem Direktorposten im Britischen Museum London zurückgetreten ist. Dort nämlich sind unter seinen Augen jahrelang Kunstgegenstände verschwunden. Das Britische Museum hat mehrere Mitarbeiter entlassen und ein Gerichtsverfahren gegen einen ehemaligen Kurator eingeleitet. Als Direktor hat Hartwig Fischer volle Verantwortung für die Vorfälle übernommen.

Aber zurück zu den harten Fakten. Mit Hartwig Fischer hat die Museumskommission einen Kunstmanager gefunden, der mit seiner internationalen Erfahrung die Grundlagen für den Aufbau der Sammlungen und für deren Erweiterung schaffen soll. Vor dem Deutschen liegt eine Mammutaufgabe. Er ist verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung des strategischen Plans des Museums, die Aufsicht über dessen Bau und für den Betrieb des Museums, sowie für die Kuratierung einer Sammlung von Artefakten und Kunstwerken, die das vielfältige kulturelle Erbe der Menschheit repräsentieren. Darüber hinaus ist er für den Aufbau von Partnerschaften mit internationalen Institutionen zuständig, wird innovative Ausstellungen und Programme entwickeln und die Öffentlichkeitsarbeit lenken. Gerade diese ist ja, wie Leser unseres Magazins wissen, in Saudi-Arabien eine eher hoffnungslose Disziplin.

Bevor er das British Museum leitete, war Fischer bis 2016 Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, wo er große Renovierungs- und Wiederaufbauprojekte leitete und Finanzmittel sicherte; sein akademischer Hintergrund umfasst umfangreiche Studien in Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte, die er an Universitäten in Bonn und Berlin, Rom und Paris absolvierte. Fischer promovierte 1994 an der Universität Bonn. Er hat zahlreiche Publikationen zu Themen der Kunstgeschichte, Museumswissenschaft und
Kulturerbe veröffentlicht und spricht fließend Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch. Wir werden das Entstehendes Museums der Weltkulturen für unsere Leserinnen und Leser verfolgen #

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