Foto: Saudi Aramco
Bevor irgendwo auf der Welt das Öl Geschichte schreiben und Gesellschaften verändern kann, kommen zuerst die Geologen. Leichtes Gepäck, schwere Hoffnung. Früher zogen sie mit Karten, die mehr Vermutung als Wissen waren, über die flimmernden Ebenen der Wüsten und über Hügel, die ihr Geheimnis tief unter sich trugen. Sie suchten nach Zeichen: nach Gestein, nach Verwerfungen, nach Mustern, die nur Eingeweihte lesen konnten.
Nach ihnen kamen die Abenteurer und die Spekulanten – „Wildcatter“ nennt man sie noch heute. Es sind Männer, die bereit sind, Geld, Geduld und Nerven in ein einziges Loch in der Erde zu versenken. Es winken hohe Profite und es drohen große Verluste. Die, die sich vor langer Zeit aufmachten auf die Arabische Halbinsel, brauchten nicht viel: Zelte, Wasser, einen Koch. Wenn das Glück auf ihrer Seite war, wuchs aus dem Provisorium ein Lager. Aus dem Lager eine Straße. Aus der Straße eine Siedlung. Und irgendwann kamen die Ehefrauen, die Kinder, das Leben. So funktionierte das im 20. Jahrhundert. In Sümpfen und Dschungeln, in Bergen und Ebenen, an Küsten und in glühenden Wüsten.
Oft aber blieb am Ende nur Leere zurück: erkaltete Kochstellen, verlassene Baracken, Bohrtürme als Mahnmale gescheiterter Hoffnungen. Anfang der 1930er Jahre spielte sich dieses alte Drama der Moderne in Saudi-Arabien ab.
Unsere Geschichte beginnt im Frühjahr 1933 in Jeddah. Am Roten Meer, zwischen traditionellen arabischen Häusern und Handelsrouten, unterschreiben Vertreter der Standard Oil Company of California und der Regierung von König Abdalaziz Al Saud einen Vertrag, der alles verändern sollte. Denn in diesem Moment weiß niemand, ob Saudi-Arabien überhaupt Öl besitzt. Aber die Möglichkeit allein war genug, um Fantasie und Kapital in Bewegung zu setzen. In Bahrain und im Irak hatte man bereits Öl gefunden.
Zwei Geologen zogen gleich los in eine Wüste, die größer ist als Texas. Daher wurden aus zwei Geologen bald zehn. Sie finden eine spannende geologische Struktur, eine unterirdische Salzdiapir-Formation. Der „Dammam Dome“ ist eine geologische Verwerfung, die eine riesige Salzkuppel hat entstehen lassen. Ihre Empfahlen: bohren. Das Hauptquartier in San Francisco sagt Ja, trotz dem enormen Risiko. Die Weltwirtschaft liegt gerade am Boden. Doch Hoffnung lässt sich nicht bilanzieren. Zelte werden aufgeschlagen, ein Pier im Wasser vor Al-Khobar gebaut, Felsen ohne Dynamit mit Feuer und Wasser gesprengt. Damals war Improvisation eine Überlebensstrategie. Doch die Vorbereitungen brauchen zwei Jahre. Im Februar 1935 geht es los; Dammam Nr. 1 wird gebohrt – das erste Loch in saudischem Boden mit einem Ziel, das größer ist als alles zuvor. Regelmäßig fliegen Telegramme nach San Francisco: Aktuelle Tiefe. Kalkstein. Wasser. Ein Hauch Teer. Gas. Öl. Hoffnung.

Die Bohrungen an Dammam Nr. 1, dem ersten Ölbrunnen in Saudi-Arabien, begannen im Februar 1935. Ein vier Monate später durchgeführter Testfluss, als der Brunnen eine Tiefe von 1.959 Fuß erreicht hatte, erwies sich als entmutigend, aber die Arbeiten an sechs weiteren Brunnen waren bereits im Gange.
Aber, die Fördermenge der ersten Bohrung bleibt gering. Zu gering. Dammam Nr. 2 macht kurz Hoffnung, dann bricht die Förderung ein. Nr. 3 ist zu schwach. Nr. 4 tot, Nr. 5 stumm. Nr. 6 enttäuscht.
Trotzdem entscheidet man sich für etwas, das später wie Wahnsinn aussehen sollte – oder wie Genialität: eine Tiefbohrung. Dammam Nr. 7 ist vielleicht so etwas wie ein Versuch in der Verzweifelung. Denn es ging tiefer als alle anderen Bohrungen, vielleicht wollte man sich und das Material nicht mehr schonen, da ein Ende des ganzen Vorhabens schon in Sicht war. Also, alles hinein in den letzten Versuch, warum sollte man all das gute Material ungenutzt zurücklassen. Hinab bohrt man in eine Zone, von der niemand weiß, was sie verbirgt.
Während neben all den Testbohrungen schon Straßen gebaut und Lager zu Häusern werden, frisst sich der Bohrer erneut langsam in die Erde. Monate rauschten vorüber und Zweifel wuchsen. In San Francisco stellte man die eine Frage, die keiner laut aussprechen wollte: Rückzug? All die Mühen der letzten Jahre umsonst !?

Die Begeisterung war groß, als die Ventile für den Test an der Bohrung Dammam Nr. 1 geöffnet wurden, doch im
21-stündigen Test lieferte die Bohrung nur 98 Barrel Öl – der Aufwand lohnt sich nicht
Man muß wissen, das Bohren nach Öl geht nicht so, wie man sich das als Laie vorstellt. Es ist nicht so, daß man bohrt und dann entweder Öl kommt, oder eben nicht. Nein, es ist komplizierter. Es gibt laufend Analysen von Sedimentkernen und von Tiefenwasser. Es wird ständig nach Indizien gesucht, die auf Öl schließen lassen. Deshalb sind die Ergebnisse im Oktober 1937 am Bohrloch Nummer 7 so sprunghaft…vorgestern hieß es kein Öl. Dann: Doch, vielleicht. Und seit gestern wieder Zweifel. Der Tanz zwischen Hoffnung und Verlust geht über Monate.
Bis zum 4. März 1938.
An diesem Tag spuckt Dammam Nr. 7 plötzlich 1.585 Barrel Öl aus. Drei Tage später waren es fast 4.000. Kein Messfehler. Kein Wunschdenken. San Francisco antwortete mit einer einzigen Floskel, die kaum die Tragweite erahnen ließ: „Herzlichen Glückwunsch.“
Die Zeit der Spekulanten und Abenteurer, der Wildcatter war damit vorbei. Sie hatten gewonnen – und konnten gehen. Was blieb, war größer als sie selbst. Denn weitere Bohrungen bestätigten den Fund. Bis Oktober wurde getestet und gerechnet, was das Ölfeld wohl hergeben würde, wie verlässlich die Fördermenge war. Erst am 16. Oktober 1938, nach zigmaligen Analysen und Kalkulationen, erhielt der saudsiche König die offizielle Nachricht: Sein Königreich hatte Öl – in kommerziellen Mengen.

Da spielten Kinder schon zwischen den Bohrtürmen; die ersten Ehefrauen lebten längst im Camp und aus dem Provisorium der Abenteurer war eine kleine Siedlung geworden. Anfang 1939 bekam sie einen Namen, der Geschichte schreiben sollte: Dhahran. Die Keimzelle der saudi-arabischen Ölindustrie und damit der Ausgangspunkt eines gigantischen Wandels, der das Königreich wohlhabend gemacht hat.
Es ist unfassbar – aber die Quelle Nummer 7, sie hat 45 Jahre lang gesprudelt. 1982 wurde die Förderung nach 32 Millionen gewonnenen Barrel wegen nachlassender Ölmenge eingestellt #
