Nefud-Wüste:

Uralte Kulturspuren geben Rätsel auf
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Foto: Königliche Kommission Alula, Max-Planck-Institut Jena, University Western Australia

Lh Riyadh

Neue archäologische Forschungen in Saudi-Arabien dokumentieren Hunderte von Bauwerken aus Stein, die als monumentale Stätten interpretiert werden, an denen frühe Viehzüchter Rituale durchführten. Unter den rätselhaften Steinmonumenten gibt es eine Bauform, die aus riesigen Rechtecken besteht – Archäologen gaben dieser Bauform den Namen „Mustatil“, die arabische Bezeichnung für „Rechteck“.

Mustatils wurden vor etwa 7.000 Jahren errichtet. Es sind niedrigwandige, riesige Strukturen aus aufgetürmten Steinen, die zwischen 20 und 600 Meter lang sind und damit zu den ältesten Großbauwerken der Welt gehören. Sie geben Einblicke in die Art und Weise, wie frühe Hirtenvölker in den herausfordernden Landschaften der halbtrockenen arabischen Halbinsel überlebten. Forscher entdeckten sie erstmals in den 1970er Jahren, inzwischen sind mehr als 1.600 Mustatils vor allem im Norden Saudi-Arabiens gefunden worden. In einer neuen Studie stellen Forschende der Max-Planck-Gesellschaft in Jena zusammen mit saudischen und internationalen Kollaborationspartnern die erste detaillierte Studie über „Mustatil“-Steinbauten in der arabischen Wüste vor.

Für die neue Forschungsarbeit unter der Leitung von Dr. Huw Groucutt (Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Extreme Ereignisse, Jena), wurde von einem internationalen Forschungsteam unter der Schirmherrschaft des Green Arabia Project erstmals eine detaillierte Studie über Mustatil-Bauten durchgeführt. Durch die Kombination von Feldvermessungen und der Analyse von Satellitenbildern hat das Forschungsteam sein Wissen über diese rätselhaften Steinmonumente erheblich erweitern können.

Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Mustatil-Bauten um rituelle Stätten handelt, an denen sich Gruppen von Menschen zu sozialen Aktivitäten trafen. Vielleicht wurden die Stätten für Tieropfer oder Feste genutzt

Dr. Huw Groucutt, Max-Planck-Forschungsgruppe Jena

Wie so vieles, hat sich in den vergangenen zehn Jahren auch die Archäologie in Saudi-Arabien rasant entwickelt. Jüngste Entdeckungen umfassen frühe menschliche Siedlungen, die Hunderttausende von Jahren alt sind, ebenso wie nur wenige hundert Jahre alte Funde. Die archäologische Fülle in Westarabien gibt immer wieder Rätsel auf; die Mustatil-Bauten sind da keine Ausnahme. Sie kommen nur im Nordwesten Saudi-Arabiens vor, über ihren Zweck gibt es einige Theorien, die von Grabmälern bis zu Jagdfallen reichen. Sie waren zuvor auf Satellitenbildern entdeckt worden. Da sie oft von jüngeren Strukturen verdeckt waren, wurde spekuliert, dass sie uralt sein und möglicherweise bis ins Neolithikum zurückdatiert werden könnten.

Dafür wurden mehr als einhundert Mustatil-Bauten am Südrand der Nefud-Wüste, zwischen den Städten Ha’il und Tayma, identifiziert. Sie reihen sich damit in weitere Hunderte dieser Monumentalbauten ein, die zuvor bei der Auswertung von Google Earth-Bildern, insbesondere in der Gegend von Khaybar, entdeckt wurden. Das Team fand heraus, dass Mustatil-Bauten in der Regel aus zwei großen Plattformen bestehen, die durch parallele Längswände verbunden sind und sich manchmal über 600 Meter Länge erstrecken. Die langen Wände sind sehr niedrig, weisen keine offensichtlichen Öffnungen auf und befinden sich in unterschiedlichen Ausrichtungen in der Landschaft. Ungewöhnlich ist auch, dass in der Umgebung dieser Monumentalbauten kaum andere archäologische Kleinfunde, wie etwa Steinwerkzeuge, entdeckt wurden. Zusammengenommen deuten diese Umstände darauf hin, dass es sich bei den Bauten nicht einfach um Nutzgebäude, zum Beispiel für die Lagerung von Wasser oder die Haltung von Tieren, gehandelt hatte.


Mustatil-Monumentalbauten erreichen eine Seitenlänge bis 600 Meter. Ihr Zweck ist noch unbekannt

An einer Stätte gelang es den Wissenschaftlern, das Steinmonument durch Radiokohlenstoffdatierung von Holzkohle aus dem Inneren einer der Plattformen zu datieren: Demnach ist es mehr als 7.000 Jahre alt. Es wurde auch eine Ansammlung von Tierknochen geborgen, die sowohl Wildtieren als auch Hausrindern zugeordnet werden können; möglicherweise handelt sich aber bei den Rinderknochen um die von wildlebenden Auerochsen. Bei einem anderen Mustatil fanden die Forschenden einen Stein, der mit einem geometrischen Muster bemalt war.

Die Tatsache, dass mehrere dieser riesigen Bauwerke manchmal direkt nebeneinander errichtet wurden, könnte darauf hinweisen, dass der eigentliche Akt ihrer Errichtung eine Art soziale Bindungsübung war. Nordarabien war vor 7.000 Jahren ganz anders als heute. Die Niederschläge waren höher, sodass ein großer Teil der Region grün und von Gras bedeckt war. Außerdem gab es verstreut einzelne Seen. Hirtenvölker konnten in dieser Umgebung gut mit ihren Viehherden leben, auch wenn Dürren ein ständiges Risiko für das Überleben von Mensch und Tier darstellten.

Die Hypothese des Forschungsteams ist, dass der Bau von Mustatilen eine Art sozialer Mechanismus war, um in dieser herausfordernden Landschaft zu leben. Sie sind vielleicht nicht die ältesten Gebäude der Welt, aber für diese frühe Periode der Menschheitsgeschichte, mehr als zweitausend Jahre bevor in Ägypten mit dem Bau von Pyramiden begonnen wurde, wurden sie in einem für diese Zeit einzigartig großen Maßstab gefertigt. Mustatile bieten damit einen faszinierenden Einblick in die Art und Weise, wie die Menschen in schwierigen Umgebungen lebten. Die weitere Untersuchung dieser monumentalen Zeitzeugen kann erheblich dazu beitragen, das Leben dieser frühen menschlichen Gesellschaften besser zu verstehen #

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