Foto: Saudi Film Commission
Saudi-Arabiens filmische Reise hat gerade einen wichtigen Meilenstein erreicht. Das poetische Roadmovie Hijra – eine ruhige, aber kraftvolle Geschichte über Liebe, Verlust und Familiengeheimnisse – wurde als Beitrag des Königreichs für die 98. Oscar-Wettbewerbe (2026) ausgewählt.
Hijra ist ein Roadmovie, es spielt im Saudi-Arabien des Jahres 2001. Eine staubigen Busfahrt nach Mekka, auf der zwei rebellische Teenager-Schwestern ihre Großmutter auf dem Weg zur Hadsch begleiten. Es ist heiß, und der überfüllte Bus bringt die Frauen (es sind nur Frauen im Bus) vom Süden Saudi-Arabiens bis zu dessen nördlichen Grenzen, über alte Pilgerwege, vorbei an fremden, rauen Landschaften und längst begrabenen Familiengeheimnissen. Immer wieder hält der Bus an; die Pilgerinnen steigen für Pause und Gebet aus. Plötzlich kann die 12-jährige Janna ihre ältere Schwester Sara in der drängenden Menge nicht mehr finden. Sie schlägt Alarm bei ihrer Großmutter Sitti, und von diesem Moment an beschleunigt sich die Geschichte mit der Spannung eines Thrillers. Denn Sitti scheint nicht vollkommen überrascht zu sein.




Sitti spricht den ausgelassenen, aber gutherzigen Ahmed an, der aus einem klapprigen Lastwagen heraus gefälschtes Zamzam-Wasser #Saudimag verkauft. Sie bezahlt ihn großzügig dafür, dass er sie nach Jeddah fährt. Dort muss die glamouröse Tante Laila, die einen Schönheitssalon besitzt, ihnen das Schlimmste mitteilen: Sara ist weggelaufen, um mit einem jungen Mann zusammen zu sein. Mit einer gekritzelten Adresse in der Hand schleppt Sitti Janna zusammen mit ihrem Klappstuhl, dem sperrigen Rucksack des Mädchens und einem großen schwarzen Trolley zurück auf die Spur. Die beiden sind nun gezwungen, auf der Suche nach Sara die Wüste zu durchqueren, und glücklicherweise hört auch Ahmed auf zu murren, als das Geld aus Omas Geldbörse kommt…
Die Suche offenbart tiefe generationenübergreifende Gräben zwischen den Frauen ihrer Familie. Und während ihre schwierige Reise allmählich die spirituellen Prüfungen der Hadsch widerspiegelt, finden Janna und Sitti vielleicht etwas Größeres als Versöhnung – nämlich Erlösung. Darauf weist der Titel des Filmes hin; Hijra ist die Reise des Propheten nach Mekka und ist ein Sinnbild für den Abschied von Sünden und Unglaube hin zu einem rechtschaffenen Leben.
Es ist der zweite Spielfilm der Regisseurin Shahad Ameen, einer der interessantesten Stimmen des neuen saudischen Kinos. Man kann erkennen, wie Hijra aus Ameens erstem Werk „Scales“ aus dem Jahr 2019, entstanden ist. Jener spielt auf einer abgelegenen Insel, auf der Fischer ihre Töchter dem Meer opfern, um einen reichhaltigen Fang zu gewährleisten. In ihrem aktuellen Film ist eine mythische Dimension auch noch vorhanden, aber gedämpft, was die Handlung vertieft.

Der Weg der Frauen spiegelt das physische und emotionale Terrain Saudi-Arabiens wider – von den heiligen Pfaden Mekkas bis zu den schneebedeckten Bergen Tabuks
Shahad Ameen, Regie und Buch
Die Hauptrollen spielen Khairia Nathmy, Nawaf Al Dhafiri und Newcomerin Lamar Fadan als Janna, mit einem Gastauftritt von Baraa Alem und Nawaf Al Dhufairi als Ahmed. Hijra spiegelt das wachsende Selbstbewusstsein und den kreativen Ehrgeiz des saudischen Kinos wider und bietet eine zutiefst menschliche Darstellung von Identität, Glauben und Zugehörigkeit.
Regisseurin Shahad Ameen: „Der Film spielt während der Hadsch, einer der heiligsten und transformativsten Reisen in der muslimischen Welt, und untersucht, wie diese Pilgerreise nicht nur Städte wie Mekka und Dschidda verändert, sondern auch innere Veränderungen auslöst. Durch Janna, die kurz vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter steht, und Sittis stille Stärke sehen wir, wie sich die Familiendynamik und das persönliche Wachstum entwickeln.“ Für die Regisseurin ist Hijra auch ein sehr persönlicher Film, den sie schon lange machen wollte, „es ist eine Geschichte, die die Lebenserfahrungen vieler Menschen in Saudi-Arabien widerspiegelt, aber selten auf der Leinwand zu sehen ist“ sagt sie, „mit Hijra wollte ich die stillen Revolutionen der Frauen in Bewegung einfangen und untersuchen, wie Freiheit über Generationen und Zeiten hinweg verstanden wird. Es ist eine Reflexion darüber, was Freiheit für Frauen im Königreich bedeutet – erzählt durch meine Linse.“
Der Film hat seine Bilder an herausragenden Drehorten gefunden, darunter in der Wüste um die alte Oasenstadt AlUla, in den staubigen Weiten um Tabuk, dem quirligen Jeddah und in der Felswelt der Region NEOM an der Küste des Roten Meeres. Hijra ist eine der Produktionen, die unter anderem aus dem Red Sea Filmfördertopf produziert werden (#SaudiMag hat berichtet), und ist damit ein weiterer Schritt im Bestreben des Königreiches, eine starke Präsenz in der globalen Filmindustrie zu etablieren. Der gegenwärtige Status des Fördersytems erinnert an die ursprüngliche Idee der Koproduktions-Filmförderung in Deutschland vor vielleicht 40 Jahren. Damals sollten mit deutschem Steuergeld vor allem nationale Medienschaffende in Lohn und Brot kommen, die deutsche Filmwirtschaft unterstützt, und Filme mit kulturellem Bezug und passenden Geschichten gefördert werden. Dieses Grundkonzept ist hierzulande irgendwann etwas in Vergessenheit geraten. Hijra ist eine sehr saudi-arabische Geschichte, die stark mit der lokalen Filmwirtschaft vernetzt ist, und daher großen Einfluß auf die Entwicklung des saudischen Films hat.
Das Oscar-Rennen geht nun in mehreren Etappen weiter, von der Vorauswahl der Akademie bis zur endgültigen Shortlist, bevor der Gewinner im März 2026 im Dolby Theatre in Los Angeles bekannt gegeben wird #

Kino nicht für jeden eher für wenige…die Beschreibung klingt interessanter als der Trailer aussieht