Foto: Saudischer Fußballverband
Was für ein Ereignis, welch ein Erfolg für die Spielerinnen, für die junge arabische Gesellschaft, für die Trainerin Monika Staab #saudimag : Das noch vor ein paar Jahren undenkbare Frauenfußball-Nationalteam Saudi-Arabiens erzielt zwei Jahre nach seiner Formierung den ersten Pokalsieg und steigt in die FIFA-Rangliste ein !
Die Freude und der Jubel sind groß, nicht vergleichbar mit europäischer Fußballfreude natürlich. Es ist alles etwas zurückhaltender hier im Prince Saud bin Jalawi Stadium in Al-Khobar, unweit der Grenze zu Bahrain. Aber die Begeisterung ist echt: Gerade werden im Vier-Nationen-Freundschaftsturnier der Fußball-Nationalteams aus Pakistan, Mauritius und der Komoren die saudischen Fußballfrauen zum Meister gekürt! Erst vor rund zwei Jahren wurde die Mannschaft aufgestellt, im Rahmen einer großen Sport- und Breitensportinitiative, mit der die Bevölkerung des Königreichs allgemein fitter gemacht werden soll. Im speziellen wurden verschiedenen Programme aufgelegt, um gerade Frauen zu sportlicher Aktivität zu ermutigen.
Sport…Frauen, die Sport treiben…das alles ist eine neue Idee, insbesondere für die Saudis selbst, die aber Überraschungen mittlerweile gewöhnt sind – monatlich gibt es Innovationen, die jahrzehntelang geltende Konventionen urplötzlich abschaffen, abändern oder abmildern.
Das Frauenfußball-Ereignis wird an diesem Tag leicht übersehen, denn zeitgleich treffen in Riyadh, 400 Kilometer landeinwärts, Cristiano Ronaldo von Al Nassr-Al Hilal und Lionel Messi, Neymar und Kylian Mbappe vom Gastverein Paris Saint-Germain zum ersten Mal aufeinander. Natürlich nimmt dieses Spiel mit den vier größten männlichen Fußballstars der Gegenwart die Schlagzeilen für sich ein. Aber, das alles ändert nichts an den Tatsachen und schmälert überhaupt nicht den Erfolg der Fußballfrauen; ihr Turniersieg ist ein ein historisches Ereignis, für den Sport in Saudi-Arabien, für die Frauen in Saudi-Arabien, für die Entwicklung der Gesellschaft.
Monika Staab aus Deutschland, UEFA-Veteranin und sportliche Kosmopolitin, hat die saudische Frauen-Nationalmannschaft formiert und zum Sieg trainiert. Sie hat als Coach eine gigantische Expertise in den saudischen Fußball eingebracht – hat sie doch mit Fußballerinnen in rund 80 Ländern gearbeitet und ist eine Kennerin des Nahen Ostens. 2013 bis 2014 hat sie die Frauenmannschaft gleich nebenan, in Qatar trainiert. Nach dem Turniersieg, den Monika Staab als Meilenstein bezeichnet, tritt sie eine neue Aufgabe als Sport-Koordinatorin in Saudi-Arabien an, widmet sich dem Aufbau weiterer Sportaktivitäten und gibt den operativen Fußball-Trainerposten an Rosa Lappi Seppala aus Finland weiter.
Der Gewinn dieses Turniers ist ein wichtiger Meilenstein im saudi-arabischen Fußball und wird den Spielerinnen viel Selbstvertrauen für ihre weitere Karriere in der Nationalmannschaft geben. Es ist ein riesiges Sprungbrett für künftige Erfolge und eine Inspiration für junge Mädchen in ganz Saudi-Arabien sowie für die anderen talentierten jungen Spielerinnen, die international spielen wollen
Monika Staab, Gründungs-Trainerin und Sport-Koordinatorin Saudi-Arabiens
Die Frauenfußball-Nationalmannschaft wird sich weiterentwickeln; gerade ist sie auf Rangplatz 171 unter den 187 FIFA-Nationen gelistet worden. Die Gegner im Vier-Nationen-Freundschaftsturnier rangieren auf Platz 187 (Mauritius), Komoren auf Platz 182 und Pakistan auf Platz 160. Die Stars der saudischen Frauenfußball-Nationalmannschaft sind die linke Außenverteidigerin Bayan Sadagah von Al Ittihad und die Torhüterin Sarah Khalid von Al Nassr, die gemeinsam die saudische Frauenfußballmannschaft anführen. Die offensive Mittelfeldspielerin Al Bandary Al Mubarak ist eine der besten Torschützinnen.
Der Sieg ist ein zusätzlicher Ansporn, da Saudi-Arabien gerade seine Bewerbung um die Ausrichtung des AFC Frauen-Asien-Pokals 2026 bestätigt hat. Die FIFA hat im vergangenen Monat Anoud al-Asmari zur internationalen Schiedsrichterin ernannt und sie damit zur ersten weiblichen Schiedsrichterin aus dem Königreich gemacht. Wo es im etablierten Männer-Fußball um Milliarden geht, um Einschaltquouten, Stadion-Bratwurst, Bier und Fan-Schlägereien, hat der Frauen-Fußball überall auf der Welt eine andere, eine gesellschaftliche, teils politische Dimension. Als Qatar 2010 den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2022 erhielt, wurde im FIFA-Evaluierungsbericht das Engagement Katars für die „Förderung des Frauenfußballs, einschließlich der Schaffung spezieller Einrichtungen“ hervorgehoben.
Unser Motto war von Anfang an #TogetherWeCreateHistory…Heute ist die erste Zeile dieser Geschichte im Königreich geschrieben worden. Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Meisterschaft und zum Einstieg in die internationale Rangliste
Prinz Abdulaziz bin Turki Al-Faisal, saudischer Sportminister
Weltweit kämpfen Frauensportmannschaften gegen die diskriminierende Politik verschiedener Einrichtungen; auch in Deutschland hatte der DFB den Fußball für Frauen übrigens bis zum 31. Oktober 1970 verboten. Vor fast zwei Jahren reisten die englischen Frauen in der Economy Class zum SheBelieves Cup in Amerika, während die Männer in der Business oder First Class reisten. Im Jahr 2014 verklagte eine Gruppe von US-Frauenfußballerinnen die FIFA wegen des Kunstrasens, auf dem sie spielen mussten. Betrachtet man das Ganze ökonomisch, dann macht das alles Sinn, ja durchaus: Frauen-Fußball ist nicht das Milliarden-Business, man kann nicht gigantische Summen mit Werbeverträgen erzielen, deren Wert an den Zuschauerzahlen gemessen wird. Deshalb müssen die Budgets notgedrungen niedriger sein. Eben darum ist in Saudi-Arabien die gesellschaftlich-politische Komponente so viel wichtiger als das Geld:
Mächtige Konservative schafften es, die Teilnahme von Frauen am Sport jahrzehntelang zu verhindern – offenbar in Übereinstimmung mit den allgemeinen Ansichten in der saudischen Bevölkerung. Gut in Erinnerung sind die borniert-peinlichen Postings saudischer Männer auf dem Socialmedia- Account der 800-Meter-Läuferin Sarah Attar, als diese an den Olympischen Sommerspielen 2012 in London teilnahm. Damals wurde Ihr Twitter-Account mit dem Hashtag „Olympic_Whores“ überflutet. Ob sich die Gehirne der Männer, die diese Postings damals unterstützten, seit 2012 weiterentwickelt haben ? Vermutlich, nein. Aber, mit Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Saudi-Arabien die seit einigen Jahren passieren, kann man sich Hoffnung machen, dass diese Personen heute oder in naher Zukunft zum alten Eisen gehören werden.
Leider, und das wird die Freude der Fußball-Damen an ihren errungenden Leistungen wohl dauerhaft trüben, wird der junge saudische Frauen-Fußball in vielen westlichen Medien als PR-Gag bezeichnet und das saudische Engagement für den Sport als Sport-Washing abgetan. So zuletzt im Zusammenhang mit dem FIFA Women’s World Cup 2023 in Australien und Neuseeland. Hier zeigt sich, dass Frauen neben sportlicher Stärke und Langstrecken-Flugreisen in der Economy-Class (s.o.) auch noch die Kraft aufbringen müssen, ein negatives Echo zu ertragen. Seien es anmaßende Socialmedia-Posts männlicher Schwachköpfe (nochmals s.o.) , oder die festgefahrene Meinung westlicher Berichterstatter.
Auf der arabischen Halbinsel jedenfalls, da tut sich etwas. Und die gegenwärtigen positiven Veränderungen haben es verdient, dass man ihnen positiv entgegentritt und sie fördert. Im Nachbarstaat Qatar, wo der Spielbetrieb der Frauenmannschaften 2014 aus unbekannten Gründen eingestellt wurde, nimmt man ihn gerade wieder auf – vielleicht wegen der neuen Fußball-Konkurrenz aus Saudi-Arabien, die hier einen Impuls für den Frauenfußball gesetzt hat. Weil es so schön ist, beenden wir den Artikel mit einem klassischen Wort: Wir bleiben am Ball #