Foto: Saudische Film Commission, Neom Entwicklungsgesellschaft
Es gibt einen Film, der ist international wohl für immer und ewig verbunden mit der arabischen Welt – das monumentale, Anfang der 60er Jahre in hochauflösendem Super-Panavision gedrehte Historienwerk „Lawrence von Arabien“. Regisseur David Leen hat damals mit seinen berauschenden Landschaftspanoramen ein Bild Arabiens gezeichnet, welches das kollektive Gedächtnis der Menschheit geprägt hat. Entstanden sind die Filmaufnahmen damals vor allem im Wadi Rum in Jordanien, dessen sandig-felsige Ausläufer bis in die saudische Region Tabuk hinüberlaufen.
Seit dem Welterfolg der Verfilmung von T.E. Lawrence‘ Kriegserinnerungen war dieser ikonische Schauplatz in Jordanien die passender Leinwand für eine Vielzahl weiterer Produktionen, darunter „Der Marsianer“, zwei „Star Wars“-Spin-offs und die Verfilmungen von „Dune – Der Wüstenplanet“ – obwohl die Gegend jenseits der Grenze zu Saudi-Arabien genauso aussieht. Doch das Land war mehrere Jahrzehnte verschlossen, und erst seit der „Vision 2030“, dem vielzitierten Regierungsprogramm, öffnet sich Saudi-Arabien seit 2016 immer mehr der Welt, dem Tourismus und der Wirtschaft. Das Königshaus möchte das Land in eine moderne Zukunft führen. Gigantische Investitionen tut der Staat in den Aufbau einer Wirtschaft, die Saudi-Arabien mittelfristig unabhängig vom Öl machen soll. Auch seinen filmischen Horizont definiert das Land neu.
In der abgelegenen Region Tabuk, am Roten Meer mit Blick nach Ägypten und am Rande der atemberaubenden Landschaftsformationen aus schroffen, orangenen Felsen und den Ausläufern des besagten jordanischen Wadi Rum gelegen, sind zwei wichtige Filmstudios auf modernem Standard entstanden. Zahlreiche Fachkräfte wurden schon angeworben und haben eine neue Filmszene fern der Hauptstadt Riyadh und der kulturellen Metropole Jeddah entstehen lassen. Förderprogramme für Fernsehvorhaben, fiktionale Produktionen, Werbespots und Dokumentationen bieten Anreize für internationale Produzenten, in Saudi-Arabien zu drehen, passende Geschichten zu entwickeln und vor allem auch die Wachstums-Region in NEOM zu entdecken.
Dieser strategische Schritt hat zuerst Produzenten und Regisseure aus der ganzen arabischen Welt angelockt, inszwischen haben aber auch Amerikaner die Region auf ihrer Landkarte entdeckt. Was internationale Filmemacher heute in Saudi-Arabien vorfinden, ist nicht nur eine ikonische Landschaft, die die Zuschauer bisher kaum gesehen haben. Sondern auch eine Logistik- und Produktionsumgebung, die vom Start weg auf internationale Ansprüche hin entwickelt wurde. Dazu gehören auch umfassende Koproduktions- und Förderprogramme für Produzenten, die ihre Geschichten oder Teile davon in Saudi-Arabien erzählen wollen.
Von den vielfarbigen Wüsten und prächtigen Monumenten von AlUla im Norden und den alten Siedlungen von Jeddah im Westen bis hin zum modernen Stadtbild von Riyadh bietet das Königreich eine neuartige Kulisse, die für sich allein steht oder alternativ für die Gebiete einspringt, die die Filmemacher noch nicht erreichen können.
Definitiv kann man feststellen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen sogar solche Filme, deren Stories in Saudi-Arabien angelegt sind, anderswo gedreht werden müssen – wie vor einigen Jahren etwa „Ein Hologramm für den König. Der deutsche Kinofilm von Tom Tykwer ist vor rund acht Jahren noch in Marokko und Ägypten entstanden, weil die dortige Filmbranche damals sehr viel weiter entwickelt war.
Die inhaltliche Bandbreite der Produktionen, die kürzlich in Saudi-Arabien entstanden sind, ist weit gefasst. So startet in den arabischen Kinos in diesen Tagen (Mitte Dezember) der Horrorstreifen „Das Cello“. Die internationale Produktion, die auf einem Buch von Turki Al-Sheikh basiert, wird von Darren Lynn Bousman inszeniert, der bereits für drei Teile der Saw-Horrorreihe verantwortlich zeichnete. In den Hauptrollen spielen Tobin Bell, ein ehemaliger Saw-Kollege, und Oscar-Preisträger Jeremy Irons, der die schaurige Geschichte eines Musikers erzählt, dem sein neues Instrument nichts als Unglück bringt. Die Dreharbeiten fanden in Riyadh und AlUla (sowie in Prag) statt. Der Film gilt als der erste arabische Horrorfilm und ist überwiegend in arabischer Sprache gedreht worden, was beweist, wie schnell sich die Branche entwickelt.
Förderangebote spielen eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Produktionen, und sie können am besten genutzt werden, wenn das gesamte Paket vorhanden ist: Infrastruktur, internationales Produktions-Know-how, eine große Anzahl von Mitarbeitern und einfache Geschäftsabläufe. Die Neom Media Studios sind nun in der Lage, dieses wettbewerbsfähige Paket anzubieten
Wayne Borg, Managing Director für Medienwirtschaft, Entertainment und Kulture (NEOM)
Gegenwärtig gibt es in Saudi-Arabien drei große Standorte der Filmwirtschaft mit entsprechenden Studio-, Rental- und Postproduktionsumgebungen: Natürlich zuerst die weltweit gut angebundene Hauptstadt Riyadh, die von Europa aus in rund 6 Stunden mit zahlreichen Flugverbindungen erreicht werden kann. Dann Jeddah – das zweite kulturelle Zentrum des Landes, direkt am Roten Meer gelegen, und ganz neu wie oben erwähnt die Region Neom an der Grenze zu Jordanien mit ihrem direkten Zugang zu Sand, Wüste, Felsen und dem unberührten Meer.
Zahlreiche Förderprogramme fokussieren insbesondere die Region Neom, um dort, im eher abgelegen Teil des Staates, das Wirtschaftswachtum zu unterstützen. Internationale Produzenten können in Neom von verschiedenen „Cash-Rebates“ profitieren. Das sind regionale Förderprogramme, die regelmäßig in unterschiedlichem Umfang aufgelegt werden und in der Vergangenheit bereits Produktionskosten-Zuschüsse von bis zu 40% bedeutet haben. Die Rahmenbedingungen dieser Förderprogramme dürften internationalen Produzenten bekannt sein; unterscheiden sich doch die Voraussetzungen nur wenig von den entsprechenden ähnlichen Initiativen anderer Staaten. So muss es einen lokalen Produktionspartner und eine relevante Story geben, und die zugesagten Fördermittel sind ausschließlich für regionale Kosten einsetzbar. (Zum aktuellen Stand aller Förderprogramme und bezüglich Details können sich #SaudiMag-Leser gern per eMail an unsere Redaktion wenden; dies hier auszuführen würde zu weit führen).
Allerdings locken aufmerksamkeitsstarke, weil hoch dotierte Fördersysteme auch immer Projekte an, die vor allem zum Einsammeln eben dieser Geldmittel erdacht werden – zum Beispiel die Produktion des Spielfilms „Antara – A Beduin Biopic“. Der durchaus bekannte, britische Regisseur Simon West gibt der Finanzierung des Films mit seinem Namen die nötige Glaubwürdigkeit bei potentiellen Investoren, darunter auch die Region Neom. Wir haben berichtet:
Tatsächlich gedreht und abgeschlossen ist „Wüstenkrieger“ von Regisseur Rupert Wyatt; eine andere historische Saga mit Anthony Mackie in der Hauptrolle als Nomadenkrieger aus dem 7. Jahrhundert und der britisch-saudischen Schauspielerin Aiysha Hart als Prinzessin, die er rettet. Drei Monate dauerten die Dreharbeiten in der Wüste und an der Küste des Roten Meeres. Dies war der erste Spielfilm, der in wesentlichen Teilen in der Region Neom gedreht wurde – der Region also, die sich mittelfristig zum wichtigsten Drehort des Landes entwickeln soll. Wir werden berichten #