Foto: Redaktion, Saudische Presseagentur
Deutsche Firmen hoffen auf lukrative Aufträge im Königreich Saudi-Arabien, während das Land zunehmend nach frischem Kapital aus Europa sucht. Doch alte Erfolgsrezepte funktionieren nicht mehr: Die Bewunderung für ‚Made in Germany‘ schwindet, interkulturelle Missstöne und politische Spannungen erschweren das Geschäft – und nun braucht Saudi-Arabien nicht mehr nur Produkte, sondern auch Investoren und überzeugende Kommunikation. Eine Zusammenfassung über veränderte Spielregeln und neue Herausforderungen in den deutsch-saudischen Wirtschaftsbeziehungen
Vom Bewunderer zum Geschäftspartner
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien sind heute andere als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Beide Länder haben sich verändert, eine neue Generation von Politikern, Diplomaten und Managern ist am Ruder. Die Bewunderung des Nahen Ostens für deutsche Produkte und deutsche Marken – vor einem Jahrzehnt noch ein argumentatives Zugpferd, das man vor jede Preisverhandlung spannen konnte – ist lahm geworden. Tatsächlich interessiert sich in Saudi-Arabien außerhalb bestimmter, fachlicher Kreise niemand mehr großartig für das „Made in Germany“. Auch deshalb, weil deutsche Unternehmen ihre Wurzeln gar nicht mehr so stark betonen. Längst nicht jeder Saudi kann spontan eine Handvoll deutscher Automarken aufzählen…“Mercedes…ja das ist aus Deutschland…dann noch BMW und…ähm…Porsch…ist das auch aus Deutschland…Nein oder?“ so antwortet mir ein Taxifahrer in Jeddah.
Längst ist der Qualitätsstatus, der deutschen Produkten jahrzehntelang voraus geeilt ist, in den Hintergrund getreten. Ob an der Badewanne daheim in Riyadh Kaldewei oder RAK steht, der Wasserhahn im Hotel von Dornbracht ist, oder das kostenlose Shuttle zum Airport ein Lexus oder Mercedes – es interessiert niemand. Die Qualität ist sowieso identisch. Deutsche Produkte sind nach wie vor hochpreisig, bieten maximal die gleiche Qualität wie früher, sind oft schlechter. Der Wettbewerb aus anderen Ländern hat längst aufgeholt und ist gleich gezogen. Auch Unternehmen aus Asien haben in dreißig oder vierzig Jahren Massenproduktion genügend Expertise gesammelt, um schöne und haltbare Wasserhähne bauen zu können. China, das in Deutschland noch immer den Ruf des Billigheimers hat und gern etwas überlegen belächelt wird, ist in Saudi-Arabien ein ganz normaler Anbieter wie alle anderen auch. Wie Deutschland einer unter vielen ist.
Rückblick: Ein Imageschaden für Deutschland, zur Primetime und mit Ansage. Das schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und Saudi-Arabien
Die allgemeinen deutschen Exporte (das heißt ohne Rüstung) nach Saudi-Arabien haben nie wieder das Niveau erreichen können, daß sie vor 15 Jahren inne hatten. Damals boomte das Geschäft deutscher Unternehmen mit dem noch verschlossenen Königreich. Dann kam die Phase der diplomatischen und politischen Verstimmungen, ausgelöst durch die Vergabe Fußball-WM nach Qatar. Das war das Warmlaufen für den Moment, in dem interkulturelle Verstimmungen, die bisher auf diplomatischem Parket geblieben waren, direkt auf die Seele der Menschen im ganzen Nahen Osten durchschlugen…
Sport, sportlicher Wettkampf und Sportler selbst werden, auch wenn sie es gar nicht wollen, nun einmal als internationale Vertreter, ja als Botschafter ihres Heimatlandes aufgefasst – zum traditionellen Leidwesen vieler Diplomaten. In Sekundenbruchteilen bei gigantischen Einschaltquoten werden Auftritte, Erfolge und Mißerfolge international multipliziert. Die deutschen Fußballer wurden (auch wenn Funktionäre und Politik die Verursacher waren) im Nahen Osten als arrogant und oberlehrerhaft empfunden. Schon vor der WM hatten die wiederholten Aussagen deutscher Medien, dass die arabische Welt keine traditionelle Fußballnation sei und daher die WM gar nicht verdient habe, die panarabische Welt in der Tiefe ihres fußball-verrückten Herzens verletzt. Die interkulturell ungeschickten Auftritte der Sportler, von Funktionären und Spitzenpolitikern vor Millionenpublikum in Qatar, haben dann jedem Menschen im Nahen Osten deutlich gezeigt, wie groß doch der Unterschied zwischen den Kulturen, wie weit entfernt Deutschland von der arabischen Welt ist. Die Freude und Hähme über das schnelle Ausscheiden der deutschen Elf – ja, echte Schadenfreude – war im Nahen Osten grenzenlos.
Warum dieser Exkurs zur Fußball-WM? Nun, man muß anerkennen, daß Wirtschaftserfolg nicht isoliert zwischen Managern auf Messe-Meetings gemacht wird. Sondern, daß die gleichen Manager auch Privatpersonen sind, die Fußball schauen. Und sich auf der Messe wohler fühlen, wenn sie sich mit einem Maschinenbauer aus China an den Tisch setzen – der nicht aus einer Nation kommt, die arabische Werte weder versteht noch respektieren will. Umso vorsichtiger und zurückhaltender waren deutsche Unternehmen in den letzten Jahren. Aus Furcht, die erkennbar winzigen Chancen auf einen Auftrag zu verspielen, wurden sie ganz klein und leise.
Schadenbegrenzung, visionäre Luftnot und ganz viel Schweigen
Die Wirtschaft hatte tatsächlich alle Hände voll zu tun, die Scherben des Porzellans unter den Teppich zu kehren…das sie selbst gar nicht zerschlagen hatten. Und es wurden immer mehr Scherben – denn nach der WM hörten die Misstöne nicht auf, die aus Deutschland nach Saudi-Arabien hinüberklangen. Seien es ungelenke Aussagen der Diplomatie, ungeschickte Züge der Außenpolitik oder unverschämte Unterstellungen und dauerhafte Kritik deutscher Medien über jedes erdenkliche Thema aus Saudi-Arabien.
Natürlich feiert die deutsche Industrie die Multimillionen, die sie in den letzten Jahren im Königreich verdienen konnte. Was man schnell vergisst oder nicht wahrhaben will: Es hätten viel mehr Multimillionen sein können. Denn die Aufträge kamen nicht herein, weil es deutsche Unternehmen waren. Sondern trotzdem es deutsche Unternehmen waren. Schaut man sich allein die Investionen in der Region NEOM um 2020 an, so hat es dort großes Auftragspotential für die deutsche Wirtschaft gegeben. Die allergrößten Kuchenstücke gingen an andere. An Amerikaner, an Asiaten.
Neue Spielregeln: Deutschlands Exporte und Saudi-Arabiens Ruf nach frischem Geld
Die Luft ist aus der Vision 2030 etwas raus, der Auftragskuchen ist zu einem großen Teil vernascht. Es wird im kommenden Jahr, da müssen wir bei #SaudiMag die Glaskugel gar nicht auf Hochglanz polieren, sehr viel weniger in Saudi-Arabien zu verdienen geben als zuvor. Die Chancen für den deutschen Export werden nicht besser.
Doch auch die Situation der Saudis ist jetzt eine andere. Denn sie sind nicht mehr der staatliche Auftraggeber mit einer unvorstellbaren Menge an Bargeld, das sie in gigantische Projekte pumpen. Die „Vision 2030“ des Premierministers Mohammed Bin Salman, die das ganze Königreich gesellschaftlich und wirtschaftlich in die Zukunft führt, wurde mit der harten Realität konfrontiert. War MBS‘ Vision womöglich größer ist als das, was Menschen umsetzen können? Zumindest in der gegebenen Zeit?
Als Thronfolger hat Mohammed Bin Salman seine Möglichkeiten genutzt. Er hat eine Steilvorlage geliefert, die besser nicht hätte sein können. Auf der ganzen Welt hat er die besten Spezialisten suchen und finden lassen, hat ihnen herausragende Arbeitsbedingungen und Gehälter geboten und für die Umsetzung der Vision ein gigantisches Budget zur Verfügung gestellt. Er hat sich auf seine Teams verlassen. Doch sie haben nicht geliefert. Vielleicht haben sie ihm zu oft nach dem Mund geredet, aus Furcht, ihre guten Gehälter zu verlieren. Wie all die Werbe- und PR-Agenturen, die nie mehr getan haben, als Hochglanzphrasen zu verbreiten und das, was an Floskeln aus den Ministerien kam, in goldene Lettern zu gießen. Kommunikation haben sie nie gemacht – wer sich nicht bewegt, dem kann nichts passieren. Sie haben geschwiegen und sich darauf konzentriert, wie #SaudiMag-Wirtschaftsredakteur Stefan Berger einmal sagte ‚pünktlich ihre Rechnungen zu texten‘.
Dieser Mangel an der Kommunikation, vom Westen als Hochnäsigkeit interpretiert, kommt jetzt als Bumerang zurück – denn jetzt braucht Saudi-Arabien frisches Geld aus dem Ausland. Investoren werden gesucht. Das Königreich will nicht weiterhin vor allem Aufträge vergeben und seine Saudi Rial ins Ausland überweisen. Das Ausland soll frische Dollars und Euros in Saudi-Arabien investieren. Damit das klappt, muß das Königreich aber kommunizieren, muß Pressearbeit machen, muß potentiellen Investoren Antworten geben und Fragen substanziell beantworten – anstatt auf eine Computeranimation zu verweisen.

Wir sehen eher Chancen in Partnerschaften, wenn es darum geht, deutsches Know-how, Technologien und Fachkräfte ins Königreich zu holen
Bandar al-Khorayef, Minister für Industrie und natürliche Ressourcen, Saudi-Arabien
So erlebt man denn in diesen Tagen den saudischen Minister für Industrie und natürliche Ressourcen, Bandar Al Khorayef, mit Sahnetopf, Bartbürste und Sammelbüchse. Deutschland würde „zwar durch seine starke Ingenieurs- und Fertigungskompetenz bestechen“ so wird er zitiert, und ist da bestimmt in Gedanken bei den Aufträgen, die deutsche Firmen eingestrichen haben. Schon schimmert aber der Wunsch nach Investitionen durch, nach Geld, welches aus Deutschland herüber kommen möge „gleichzeitig sehen wir eher Chancen in Partnerschaften, wenn es darum geht, deutsches Know-how, Technologien und Fachkräfte ins Königreich zu holen“.
Der Wind hat sich gedreht. Und wie es scheint, gewinnt Deutschland, der tollpatschige Besserwisser mit interkulturellem Defizit, in den Augen der Saudis neues Gewicht. Nicht als Lieferant, als Geldgeber. Die deutsche Wirtschaft, im eigenen Land gebeutelt wie lange nicht, kann kreative Wege suchen, um Gelder verfügbar zu machen, die sie in Saudi investieren können. Und Saudi-Arabien? Es muß schnellstens lernen, vom hohen arabischen Vollblut herabzusteigen und mit der Welt in Kontakt zu treten. Vielleicht, indem man erst einmal die Werbe- und PR-Agenturen austauscht #