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Drei weltweit führende Banken, nämlich Citigroup, Goldman Sachs und BNP Paribas haben den Verkauf frischer saudischer Staatsanleihen übernommen. Durch den Verkauf dieser Anleihen mit einer Laufzeit von drei, sechs und zehn Jahren hofft Saudi-Arabien ein Haushaltsdefizit von rund 21 Milliarden US-Dollar zu decken, welches sich bis Ende 2024 auftun wird. Frisches Geld ist dringend nötig, um die zahlreichen Ausgabenprojekte zu finanzieren und wie geplant umsetzen zu können, die der Staat im Rahmen seiner wirtschaftlichen Diversifizierungs-Kampagne voran treibt.
Es ist die zweite Ausgaberunde in diesem Jahr, da bereits im Januar Staatsanleihen im Wert von 12 Milliarden Dollar verkauft wurden. Auch die NEOM-Entwicklungsgesellschaft, deren größtes Projekt „THE LINE“ vor ein paar Wochen ins finanzielle Trudeln geraten ist, wird eigene Anleihen herausgeben. Die Entwicklung der ultramodernen Region NEOM ist ein Projekt in gigantischem Ausmaß – flächenmäßig in etwa so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Es verschlingt massive Finanzmittel. Aktuelle Schätzungen sprechen von 1,5 Billionen Dollar. Wie #SaudiMag von mehreren NEOM-Vertragspartnern hört, benötigt NEOM mittlerweile ein halbes Jahr, um seine Rechnungen bezahlen zu können.
Es ist erstaunlich, wie rasant Saudi-Arabien seine Wirtschaft umbaut und die Gesellschaft gleich mit. Bisher durchaus mit Erfolg. Der Staat schafft mit seinen Investitionen Chancen und Arbeitsplätze. Zudem steckt das Land Milliarden in den Sport, um Fußballstars wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Neymar in die saudische Profiliga zu locken, oder um das abtrünnige LIV-Golfturnier zu unterstützen.
Wie das Wall Street Journal berichtet, hat Saudi-Arabien neben der Ausgabe von Staatsanleihen auch damit begonnen, Kredite aufzunehmen. Tim Callen vom Arab Gulf States Institute in Washington schätzt, daß der Öffentliche Investmentfons (PIF) weitere 270 Milliarden Dollar wird aufbringen müssen, um die ehrgeizigen Ziele aus dem Regierungsprogramm „Vision 2030“ zu verwirklichen. Man darf nicht übersehen, daß von Anfang an auch ausländische Investitionen ein Teil des Finanzierungskonzepts vieler Transformationsprojekte sind. Die Realität zeigt aber zunehmend, daß Saudi-Arabien Schwierigkeiten hat, die eingeplanten und erforderlichen ausländischen Investitionen tatsächlich anzuziehen. Darüber haben wir auf #SaudiMag schon einmal berichtet:
Auch die allgemein gestiegenen Kosten und niedrige Ölpreise haben sich auf die Staatsfinanzen ausgewirkt. Alles zusammen zwingt den saudischen Staat dazu, nach neuen Einnahmequellen zu suchen. Zeitgleich mit der Erhöhung flüssiger Mittel durch die Aufnahme von Krediten und den Verkauf von Staatsanleihen sollen dem Vernehmen nach auch Kosten gesenkt werden. Saudi-Arabien will offenbar die Dimension vieler Projekt und Megaprojekte überdenken, „kalibrieren“ wie man hört.
Aktuelle Herausforderungen machen Anpassungen bei einigen Aspekten des Plans „Vision 2030“ erforderlich. Wenn es nötig ist, werden wir den Kurs ändern und neu anpassen
Mohammed al-Dschadan, Finanzminister von Saudi-Arabien
Der Finanzminister des Königreichs, Mohammed al-Dschadan, sagt am Rande des Weltwirtschaftsforums in Riyadh (Frühjahr 2024), daß aktuelle Herausforderungen einige Anpassungen bei einigen Aspekten des Plans „Vision 2030“ erforderlich machen würden. Wenn es nötig sei, würde sein Land den Kurs ändern und sich anpassen. Einige Projekte würden zurückgeschraubt, andere beschleunigt werden. Der Minister ist seit 2016 ein unermüdlicher und verlässlicher Werber für die saudische Wirtschaft, der auch des öfteren das Gespräch mit der deutschen Industrie gesucht hat. Man hört, dass womöglich auch der saudische Premierminister Mohammed Bin Salman, leidenschaftlicher Initiator der gewaltigen Transformationsprozesse, bezüglich möglicher Skalierungen gesprächsbereit ist. Das jedenfalls würde der weiteren Karriere des Finanzministers zugute kommen, dessen Worte beim Weltwirtschaftsforum überraschend deutlich waren.
Tatsächlich hat es den Anschein, dass aus manchem Projekt etwas die Luft heraus ist. Seit mehreren Jahren kann man nun das Ausheben unendlicher Baugruppen beobachten. Es begeistert einfach nicht dauerhaft, einem 170 Kilometer langen Loch dabei zuzusehen, wie es immer tiefer wird (um „THE LINE“ als Beispiel zu nennen). Wieder einmal ist die typische, saudi-arabische Geheimnistuerei und Sprachlosigkeit nicht hilfreich, um das Vertrauen ausländischer Investoren zu gewinnen und um das weltweite Image des Staates zu verbessern.
In seiner Öffentlichkeitsarbeit besteht Saudi-Arabien weitgehend darauf, dass die Megaprojekte, insbesondere NEOM, auf dem richtigen Weg sind. Auch das ist wieder ein saudischer Kommunikations-Fehltritt, der eben nicht für Vertrauen bei internationalen Investoren sorgt. Wir werden gespannt beobachten und berichten #