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Eine wilde Nacht, ein tickender Countdown…

und ein Kamel im Rachemodus

Foto: Netflix

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Es gibt Filme, die ziehen dich rein, andere schubsen dich – und „Naga“, das erste Langfilmwerk des saudischen Regisseurs Meshal Aljaser, tut letzteres mit voller Breitseite. Und im Stream auf Netflix. Der Film begleitet Sarah, eine wohlbehütete Tochter aus Riyadh, auf einem einzigen Tag, der sich anfühlt wie ein High-Speed-Trip zwischen Rebellion, Realitätsschock und Wüstenhorror. Und genau so will Aljaser es auch: laut, hektisch, überschäumend stylisch.

Sarah (Adwa Bader) raucht heimlich, ist genervt vom kontrollierten Elternhaus und will einfach mal raus. Ein Shoppingtrip soll dem Vater als seriöse Alibi-Story reichen, in Wahrheit steht ein Date mit dem unzuverlässigen Saad auf dem Programm. Deadline für die Rückkehr nach Hause: Schlag 22:00 Uhr. Denn Girls, die zu spät kommen, erfahren in der Familie Konsequenzen im emotionalen Äquivalent eines Meteoriteneinschlags. Soweit die Ausgangssituation.

Was dann folgt, ist eine Eskalationsspirale, die irgendwo zwischen „Lola rennt“, Coming-of-Age-Drama und vollkommen abstrus-absurder Wüsten-Odyssee pendelt. Ein Drogentrip am Wegesrand, eine bedrohliche Begegnung mit einem LKW, Rowdys auf Quadbikes, eine Underground-Party in der Wüste – und ein Kamel, das zur furiosen Mutter aller tierischen Vergeltungsaktionen wird. Kein Witz: Dieses Tier hätte in einem Monster-Movie eine eigene Titelrolle verdient.

Aljaser inszeniert das alles mit maximalem Style-Output: 360-Grad-Kamera-Spins, hyperaktiver Schnitt, halluzinatorische Bilder – als hätte das Team jedes Kamera-Gadget aus dem Filmgeräte-Verleih geholt und in der Postproduktion diverse Tasten gleichzeitig gedrückt. Die Bildsprache, das Art Design sind gut gelungen und ebenso voller Zitate und Anleihen wie auch die Dramaturgie. Solch ein Sammelsurium kann begeistern…wirkt aber doch stellenweise wie ein Filmhochschul-Showcase, bei dem unbedingt alle Tricks auf einmal Platz finden mussten. Die Tonlage wechselt ständig: Thriller, Satire, rabenschwarze Komödie, Drama – und manchmal alles im selben Moment. Wer durchatmen will, muss das zwischen zwei Cuts tun.

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Doch trotz aller Überdrehtheit besitzt „Naga“ eine Wucht. Denn unter der massiven Farbkorrektur und dem Neonlicht des Filmes steckt eine klare Wahrheit: Eine junge Frau versucht in einem System zu navigieren, das Regeln hat, die sie nicht selbst gewählt hat. Und während sie auf dem Motorrad, im Auto oder zu Fuß versucht, rechtzeitig nach Hause zu kommen, brennt da ein Kommentar über sozialen Druck, Geschlechterrollen und die Sehnsucht nach Selbstbestimmung. Hauptdarstellerin Adwa Bader ist eines der vielversprechenden Gesichter des saudischen Films, die hier definitiv viel Gelegenheit hatte, ihr Talent in allen denkbaren Situationen auszuspielen. Adwa Bader wurde in den USA geboren, kam mit ihren Eltern aber mit 9 Jahren zurück nach nach Saudi-Arabien. Angefangen hat sie als Instagram-Influencerin, dann modelte sie und fasste darüber bald in der neuen Medienszene des Königreichs fuß. Auf dem Toronto International Film Festival (TIFF) erhielt sie vor zwei Jahren (2023) eine Auszeichnung als „Rising-Star“.

In seinem Film formt Regisseur Meshal Aljaser nicht jede Idee aus, wie gesagt das Ganze wirkt doch oft wie ein verfilmtes Brainstorming von der Filmschule. Aber, es gibt auch starke Momente die hängen bleiben. Etwa wenn das Chaos kurz Pause macht und man Sarah ansieht, dass dieser Trip nicht nur Adrenalin ist, sondern ein unfreiwilliger Reality-Check. Die Darstellenden stürzen sich mit vollem Einsatz hinein, das Production Design rockt, und das Worldbuilding liefert eine Seite von Saudi-Arabien, die man so selten zu sehen bekommt.

Am Ende landet „Naga“ mit einem bissigen Twist – und mit der Erkenntnis, dass Impulsivität und Ehrgeiz manchmal zwar glänzen, aber nicht immer Erdung ersetzen. Trotzdem: Das hier ist ein Debüt, das man nicht ignorieren kann. Aljaser will nicht leise sein – und das merkt man jede Sekunde.

Und spätestens wenn das Kamel mit Rachemodus auftaucht, weiß man: Diese Filmnacht vergisst keiner so schnell. #

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