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Vom Pilgerziel zur Tourismus-Macht

Rekorde zwischen Erfolg und Skepsis

Foto: Redaktion

Saudi-Arabien feiert sich als neuer Tourismus-Gigant: 30 Millionen internationale Besucher im Jahr 2024 – ein Rekord, der das Königreich in die Nähe etablierter Reiseziele aufrücken lässt. Doch hinter den glänzenden Statistiken und den ambitionierten Plänen der Vision 2030 lauern Fragen: Wie belastbar sind diese Zahlen, wenn unabhängige Verifizierung kaum möglich ist? Und was bedeutet der Boom für eine Nation, die erst vor wenigen Jahren das Touristenvisum einführte – und deren futuristische Mega-Projekte wie Neom längst nicht mehr so strahlen wie einst?

Meldungen – vor allem Erfolgsmeldungen – aus Saudi-Arabien sind immer mit Vorsicht zu genießen, da sie sich aufgrund der strikten Verschwiegenheit aller Stellen im Königreich nur selten unabhängig verifizieren lassen. Das gilt für statistische Zahlen ganz besonders. Eine statistische Erfolgsmeldung kommt nun von der Saudischen Tourismusbehörde: Saudi-Arabien hat im Jahr 2024 mit 30 Millionen internationalen Besuchern alle Rekorde gebrochen. Aufgrund einer ungebrochenen Dynamik und der Fertigstellung weiterer Hotelprojekte wird diese Zahl auch für 2025 prognostiziert.

Die Angabe beinhaltet reinen Tourismus, umfasst also nicht die traditionellen Pilgerströme (das sind in etwa noch einmal so viele Besucher). Zur Einordnung: Das kompakte Österreich zählt 47 Millionen Touristen, die saudischen Nachbarn Vereinigten Arabische Emirate kommen auf 28 Millionen, Deutschland auf 38 Millionen Besucher. Die Angaben der Saudischen Tourismusbehörde sind von Bloomberg bestätigt – wie auch immer man dort hat mitzählen können.

Dieser Erfolg muß kein glücklicher Zufall sein. Es sind die Pläne aus der Vision 2030, durch welche die einst geschlossene Nation zu einem globalen Tourismusgiganten gemacht werden soll. Neben den Investitionsmilliarden und Werbeoffensiven gibt es aber auch die Realität vor Ort. Wirft man also einen nüchternen Blick auf Saudi-Arabiens Tourismus-Wunder, zeigt sich Nachfragebedarf. Antworten bleibt das Königreich wie gewohnt schuldig. Viele touristische Projekte wurden vor rund zehn Jahren angestoßen, weswegen tatsächlich Monat für Monat neue Hotels, Resorts, Malls und Attraktionen fertiggestellt werden. Die Zahlen lesen sich gut: Ein Anstieg von 9,4 % gegenüber den 27,4 Millionen Besuchern im Jahr 2023, so teilt es Tourismusminister Ahmed Al-Khateeb stolz mit. Dieser Anstieg füllt nicht nur Flugzeuge, sondern treibt auch einen Boom auf dem Immobilienmarkt voran, von Luxushotels bis hin zu weitläufigen Wohnzentren.

Die Prognose für das aktuelle Jahre 2025 basiert auf einer Analyse von Oxford Economics. Sie sagt aus, daß das Königreich auf dem besten Weg ist, bis 2030 70 Millionen Touristen zu zählen oder sogar zu übertreffen. Allerdings würde das einen jährlichen Anstieg von zukünftig 14,69 % erfordern, also noch einmal eine sprunghaften Anstieg nötig machen. Spätestens an dieser Stelle setzten wir bei #SaudiMag mal ein Ausrufezeichen. Das bedeutet, das wir darauf zukünftig ein Auge werfen. Denn solch eine hochtrabend-positive Prognose lässt uns mit unserer internen, täglichen Sicht aus dem Königreich heraus dann doch etwas fragend zurück.

Durchaus kaufen wir dem Tourismusamt einen erfreulichen Anstieg des Tourismis in den letzten Jahren ab. Die Investitionen, die Saud-Arabien in Tourismuswerbung pusht, die Millionen, die das Ministerium an britische Werbeagenturen überweist und an internationale Influencer zahlt, haben natürlich einen gewissen Pull-Effekt. Der aber, das muß man sich immer wieder vor Augen halten, bei einer Null-Linie gestartet ist. Noch vor rund sechs, sieben Jahren gab es so gut wie gar keinen Tourismus. Mit der Einführung des Touristenvisums im Jahr 2019 begann dann natürlich ein sprunghafter Anstieg. Aber, erfolgreicher Tourismus braucht einen gewissen Anteil von wiederkehrenden Besuchern, desto mehr, desto besser. So hat sich das rund zwei Flugstunden entfernte Dubai als Umsteige- und damit als Layover-Destination weltweit etabliert; in der dortigen Tourismusstatistik machen wiederkehrende Besucher einen hohen und glaubwürdigen Anteil aus.

Der saudische Tourismus trug 2024 mit 131,9 Milliarden US-Dollar zum BIP bei, dringender Treibstoff für die Finanzierung der zahlreichen Hotel- und Resortbauprojekte, von denen zahlreiche noch oder teilweise in Bau sind und zukünftig noch Milliarden verschlingen werden. Man denke nur an die verzögerten Tourismus-Vorhaben in NEOM mit der Gebirgswelt von Trojena, dem Insel-Resort Sindalah oder den zahlreichen, teils avantgardistisch-utopischen Milliardenvisionen entlang der Küste unter dem Sammelbegriff der Region „Magna“. Ausländische Investionen aus dem Hospitality-Sektor waren dort gefragt…sind aber entweder nie aufgesprungen, oder bereits wieder abgesprungen. Insbesondere die Tourismus-Prognosen für Hotels und Resorts in NEOM können inzwischen nicht mehr belastbar sein, da die Vitalität der ganzen Region stark gesunken ist. In einem früheren Artikel des #SaudiMag zum Sportort Trojena hatten wir die Verknüpftung des Projekts mit dem Fortschritt der Gesamtentwicklung in Neom dargestellt. Heute erkennen wir, dass es dort geringere Geschäftsaktivitäten, und damit auch weniger Einwohner geben wird als noch vor ein paar Jahren visionär erdacht. Diese Einwohner hätten aber einen guten Anteil an der Tourismusnachfrage in den Berg- und Küsten-Resorts gebildet – etwa der Binnentourismus durch gutgestellte Manager, die ihre Appartments in THE LINE verlassen, um einmal Bergluft zu schnuppern oder es sich mit Meerblick gutgehen zu lassen. Siehe hier:

Es ist anzunehmen, daß man sich in Saudi-Arabien zukünftig viel stärker auf die Bereiche, Regionen und Bauprojekte fokussieren wird, die messbar und verlässlich einen Return on Investment versprechen – und dass man Avantgarde-Hotelprojekte wie jene in NEOM auf Eis legt, solange keine Investitionen aus dem Ausland hereinkommen. Erfolgversprechend sind Projekte, die sich gut mit fassbaren Großereignissen verknüpfen lassen, etwa die FIFA-Weltmeisterschaft 2034 oder Tourismus in den gewachsenen Destinationen wie die Hafenstadt Jeddah oder die Oase Alula. 800 Milliarden Dollar, so hörte man von offizieller Seite vor ein paar Jahren, wolle das Königreich in den Tourismus investieren. Wir schauen, wie die Statistik in einem Jahr ausschaut #

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