Der Rauch der Erinnerung

Der Zauber des Oud in Saudi-Arabien
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Foto: Saudisches Tourismusamt

Es beginnt mit einem Duft. Warm, süß, fast hypnotisch. In den Souks von Jeddah zieht er durch die Luft, legt sich auf Kleidung, in die Haare, macht es sich im Gedächnis gemütlich. Es ist Oud – oder „Aoud“, wie es hier ausgesprochen wird – der Duft, ohne den ein Besuch im Königreich schlicht unvollständig wäre.

Ich entdecke ihn am Abend im Souq, wo sich zwischen Gewürzen und Goldschmuck ein winziger Laden verbirgt. Der Verkäufer, Abdul, ist ein älterer Mann mit sanftem Blick, legt ein dunkles Stück Holz auf glühende Kohle – und in dem Moment verwandelt sich der Raum. Der Duft ist intensiv, fast hypnotisch: ein Gemisch aus Rauch, Wärme und etwas Unaussprechlichem, das in der Luft hängen bleibt. „Nur ein Baum, der von Pilzsporen befallen wird, trägt das Herz von Oud“, erklärt er. Aus diesem seltenen Prozess entsteht ein öliges Harz, das Jahrhunderte reifen kann – so selten, dass es bis zu 5.000 Euro pro Pfund kosten kann. Kein Wunder, dass der globale Markt für das wertvollen Holz Milliarden Euro groß ist. Doch solch hohe Preise sind die Ausnahme – denn in Saudi-Arabien ist Oud kein Luxusartikel, sondern vor allem Alltag. Ja, es wird in höchster Güte zu Hochzeiten verschenkt und im heiligen Monat gefeiert. Auch das tagtägliche, das günstige Oud verfehlt seinen Zauber nicht. Es wird bei Besuchen entzündet, um Gäste zu ehren. „In jedem saudischen Haushalt finden Sie Oud“, erzählt Abdul „denn es ist mehr als ein Duft – es ist ein Gefühl von Zuhause.“

Tatsächlich scheint er das ganze Königreich zu durchziehen. In Mekka schwebt Oud über den weißen Gewändern der Pilger, in Jeddah mischt er sich mit Meeresluft und Kardamom, in Riyadh liegt er über den neuen Boulevards, wo Boutiquen wie Arabian Oud, Ajmal oder Abdul Samad Al Qurashi mit internationalem Parfumhaus-Flair konkurrieren. Der Handel mit Oud reicht weit zurück – bis zu den Karawanen der Seidenstraße, die das wertvolle Agarholz aus Asien in den Nahen Osten brachten. Heute stammen die edlen Hölzer aus Ländern wie Malaysia, Vietnam oder Sri Lanka; doch Saudi-Arabien bleibt der Herzschlag dieses Marktes. Hier werden fast zwei Drittel des weltweit produzierten Ouds verbraucht.

Das wertvolle Holz wird nicht verbrannt, man extrahiert seinen Duft und mischt noch wertvollere Perfums und Parfumöle daraus. Bevor ich wieder einmal abreise aus Saudi-Arabien, kaufe ich eine kleine Flasche davon – schlicht, golden versiegelt. Zu Hause genügt ein einziger Tropfen, um mich zurückzuversetzen: in die Hitze Riyadhs, in den Klang der Rufe zum Gebet, irgendwo zwischen Wüste und Skyline, Souk und Sandsturm. Denn Oud ist mehr als ein Duft. Es ist der Atem des Königreichs #

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