Foto: Neom Entwicklungsgesellschaft
Trojena sollte der Ort werden, an dem Saudi-Arabien die Zukunft neu schreibt. Stattdessen wird das Projekt zum ultimativen Stresstest für Vision 2030. Die Uhr tickt – und die Welt schaut zu. Denn Saudi-Arabien will 2029 die Asiatischen Winterspiele hosten. Doch jetzt wird klar: Die Kombination aus Milliardenkosten, komplexer Geografie und zunehmend knapper Zeit verwandelt das Prestigeprojekt in einen Wettlauf gegen Physik, Finanzen – und den Kalender.

Als Saudi-Arabien vor ein paar Jahren ankündigte, in den Bergen der Region Neom ein High-End-Skiresort zu bauen, wirkte das wie der ultimative Flex im globalen Städtebau. Trojena – ein futuristischer Mix aus kristallenen Wolkenkratzern, Rooftop-Pisten und einem künstlichen Bergsee – sollte beweisen, dass Vision 2030 nicht nur ehrgeizig, sondern auch furchtlos ist. Klar, auch #SaudiMag hat darüber berichtet – by the way als einziges deutschsprachiges Magazin auf Basis von ein paar mehr Fakten #saudimag und nicht nur mit Spekulationen. Denn wir waren wirklich vor Ort, dort in den Bergen auf rund 2.000 Meter. Aber zur Zeit unseres Artikels waren die Vorzeichen noch ganz andere. Denn damals war Trojena als Destination in die Entwicklung der gesamten Region Neom eingebunden. Und genau das ist nach wie vor eine Grundanforderung, die heute aber niemand mehr anspricht: Das Sportresort in den Bergen funktioniert nur in Vernetzung mit der ganzen, der vor allem an Einwohnern und Aktivitäten wachsenden Region. Werden andere Projekte in Neom runter skaliert, allen voran die Megacity The Line (ist im Power-Nap-Mode siehe hier #saudimag ), dann kann Trojena nicht funktionieren wie anfangs geplant. Es fehlen die Menschen.
Wie auch immer – Fact Check: Vor ein paar Jahren zogen zehntausende Bauarbeiter in die Berge. Und es ging alles erstmal so schnell, dass es Beobachter sprachlos machte. Heute, Ende 2025, ist der Baufortschritt dort: Krass. Ja, es steht schon ein richtiges Skidorf dort, mit Gassen, Shops und Apartments. Und das große Gebäude mit der befahrbaren Skipiste auf dem Dach…erkennbar im Rohbau. Trotzdem: Die Uhr tickt erbarmungslos:
Denn 2029 sollen auf Trojenas Hängen die Asiatischen Winterspiele stattfinden. Athleten aus China, Japan, Indien und Co. sollen sauber über perfekt modellierte Pisten carven. Auf Kunstschnee, gemacht aus Hightech aus Europa – und viel Hoffnung. Das Preisschild von Trojena wird gerade fetter und fetter. Und während Kronprinz Mohammed bin Salman weiter Vollgas gibt, drücken niedrigere Ölpreise das saudi-arabische Budget. Das Haushaltsdefizit wächst, der Staatsfonds musste gerade erst Giga-Projekt-Werte um zig Milliarden runterstufen.

Oben: Ja, es gibt Schnee in Trojena und es ist kalt. Trojena liegt nicht und lag nie in der Wüste
Unten: Träume aus dem Computer…aber, wie man am Beispiel von The Line kürzlich gesehen hat: In Saudi-Arabien ist es üblich, Montags Werbevideos zu droppen, und am nächsten Tag ein Projekt auf Eis zu schieben

Die Vision wird nicht kleiner, aber die Finanzpolster tun es
Trojena hätte schon 2026 stehen sollen. Jetzt wird es eng. Sehr eng. Es wird ohne das Streichen von Maßnahmen und die Fokussierung auf nur die nötigsten Strukturen nicht klappen. Intern wird längst diskutiert, ob Deadlines vor den Winterspielen verpasst werden. Sportveranstaltungen brauchen schon jahrelang im Voraus funktionierende Infrastruktur – und das Terrain in Trojena macht alles komplizierter: Höhenlage, steile Topografie, Felsformationen, die niemand gern anbohrt. Wenn dort wirklich Wettkämpfe starten…dann wird es aus Zeitgründen ohne Testläufe klappen müssen – es wird ungeprobt in einen Mega-Live-Event gehen…
„Trojena ist ein Balanceakt, angetrieben von Ölpreisen, Liquidität und Finanzierungsmöglichkeiten.
Farouk Soussa, Ökonom für den Nahen Osten und Nordafrika bei Goldman Sachs
Es gibt ja noch den geplanten, künstlichen Bergsee – ein 5-Milliarden-Becken auf 2,8 Kilometern Länge. Ein Weak Spot für alles. Denn der Bergsee ist kein nices Add-on, sondern soll genug Wasser liefern, um den Kunstschnee zu speisen. Das klingt elegant. Ist aber logistisch ungefähr so entspannt wie einen Elefanten in ein Smart-Car zu bekommen. Hinter den Kulissen kursieren bereits Szenarien: von kleineren Anpassungen bis hin zu radikalen Kürzungen. Einige Insider schließen nicht aus, dass die Winterspiele notfalls in ein anderes Land wandern müssten – auch wenn Saudi-Arabien sich erfahrungsgemäß nicht gern die Show stehlen lässt. Offiziell heißt es natürlich: Alles läuft nach Plan. Neom betont, man arbeite „stufenweise“, „nach internationalen Standards“ und „mit langfristiger Nachhaltigkeit“. Sorry, nach mehreren Jahren ist die Welt müde, immer wieder die gleichen Hochglanz-Texte aus Londoner Werbeagenturen zu hören.
Der Stand Ende 2025: Tunnel, die den Berggipfel mit dem befahrbaren Dach des Resorts verbinden sollen? Im Bau. Skipisten-Tests? Laufen. Wasserpumpstationen? Teilweise im Einsatz. Logistik, damit Tausende von Athleten, Medientross, Management nach Trojena anreisen können? Ansatzweise erledigt. Aber die Frage bleibt: Reicht das Tempo?



Zum Vergleich: Die letzten Asiatischen Winterspiele fanden in Harbin statt – einer Stadt, die bei minus 15 Grad lebt und Schnee hat wie andere Regionen Sand. Trojena ist da etwas sehr speziell. Erstmal: Ja, es gibt hier Schnee. Regelmäßig. Und es ist kalt dort oben in den Bergen. Trojena liegt nicht in der Wüste. Diesen Wüsten-Bullshit hat im deutschsprachigen Raum einer vom anderen abgeschrieben weil es so gut klickt. Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus etwa, das dropt mit ernstem Blick die grundlegend falsche Zeile, dass Trojena „inmitten einer der heißesten Wüsten der Welt“ liegen würde. Focus: Versucht es mal mit etwas Journalismus: Trojena liegt in den Bergen, weit von irgend einer Wüste entfernt. Aber, jetzt mal eine #SaudiMag-Info: Trotz echten Schneetagen in Trojena wird man für eine Schneequalität auf Wettkampfniveau trotzdem und definitiv jede einzelne Schneeflocke künstlich erzeugen müssen.
Neom trägt nicht nur Beton – sondern Erwartungen
Die Vision 2030 ist kein Luxusprojekt, sondern Kern der Abkopplung Saudi-Arabiens vom Öl. Internationale Events wie die Winterspiele oder die Fußball-WM 2034 sind globale Schaufenster. Kürzen? Schwierig. Abbrechen? Politisch toxisch. Weiterbauen? Extrem teuer. Die Zeit wird knapper, die Ambitionen bleiben groß. Doch trotz aller technischen, finanziellen und logistischen Schmerzen wird Riyadh alles daransetzen, 2029 Schnee und Ski vorzeigen zu können. Ob es am Ende episch, chaotisch oder gerade eben genügend wird – das ist die eigentliche 1,5-Billionen-Euro-Frage.
Trojena ist kein Skiresort. Es ist ein globales Statement, ein Stresstest für Vision 2030 und ein Prestigeprojekt, das Saudi-Arabien unter maximalen Erwartungsdruck setzt. Wenn es klappt, schreibt das Königreich ein neues Kapitel Architekturgeschichte. Wenn nicht – steht ein sehr teurer Schneeball plötzlich im Gegenwind #