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Jeden Morgen, kaum dass die Sonne ihre ersten Strahlen über den Stadtrand von Buraydah in der saudischen Region Al-Qassim wirft, geht es los: Ein Bellen, Knurren, Meckern aus Tausenden trockener Kehlen. Denn hier, im staubigen Nirgendwo 400 Kilometer von der Hauptstadt Riyadh entfernt, gibt es den größten Kamelmarkt im Land, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Wer hat das schon so genau gezählt.
Spätestens um sechs Uhr ist der Markt von Buraydah neu zum Leben erwacht. Verkäufer und Käufer tauschen ihre Saudi-Riyals, die lokale Währung, für Kamele, Schafe und Ziegen oder Sättel, Halfter und Decken. Sie schieben die Tiere ins richtige Licht und reichen ihren Kamelen eine große Flasche Wasser, die sie gekonnt austrinken. Der Markt ist ein wunderbares Chaos: Hunderte von Kamelen stehen beieinander, sitzen noch verschlafen auf dem Boden oder rasseln in ihren rostigen Ställen. Am Rande der Szenerie zahlreiche Pickups, auf deren Ladeflächen weitere Tiere sitzen. Die Anpreisungen der Männer von überall her vermischen sich mit dem Knurren der Kamele, mal aufgeregt, mal neugierig, mal aufgedreht.
Wer kann sich schon der Aura eines Kamels entziehen..diesem Symbol der arabischen Welt? Hier sieht man schneeweiße Kamele, beige, hellbraune, dunkelbraune, eine Handvoll schwarze Tiere sogar. Sehr große und Babykamele. Im Kontrast dazu: Das Outfit der Händler, das erstaunlich einheitlich ist…fast ausschließlich sieht man sie in frisch gestärkten, strahlend weißen Khanduras zwischen den Tieren stehen, auf dem Kopf das typische Arabertuch „Shemagh“ in rot-weiß. Das ist in Saudi-Arabien die liebste Farbkombination. Desto später der Morgen wird, desto mehr Tiere werden verkauft. Dabei ist es ein unvergesslicher Anblick zu beobachten, wie Kamele an eine Seilwinde gehängt werden, um sie in die Transportfahrzeuge zu hieven.
Die Tiere, die man hier sieht, werden in verschiedenen Kategorieren angeboten – das unterscheidet den Kamelmarkt in Buraydah nicht von anderen Tiermärkten auf der ganzen Welt. Tja, ein Teil von ihnen…wie gut dass nur wir das wissen…ist für den Schlachthof bestimmt. Denn Kamelfleisch ist in der arabischen Welt eine geschätzte, seltene und deshalb teure Delikatesse, die man zu besonderen Anlässen zubereitet. Viele Kamelstuten werden auch an Molkerei-Betriebe verkauft und einige wenige gehen an Scheichs und Geschäftsleute, die die besten Exemplare für die eigene Zucht oder für Rennen kaufen. Klar, für reinrassige Renn-Kamele gibt es mehrmals im Jahr anderswo eigene Auktionen. Dort bekommt man ein Kamel dann nicht für ein paar Hundert oder Tausend Euro, sondern für Hunderttausende – aufwärts. Die Kamele in Buraydah werden gut behandelt und um Preise wird hart verhandelt. Für viele Menschen ist der Besuch des Marktes ein gesellschaftlicher Anlass. Mensch und Kamel, das ist eine ganz besondere Verbindung in der arabischen Welt.
In der Vergangenheit waren Kamele das Haupttransportmittel im Königreich. Heute schätzen die Saudis ihre Kamele wegen ihres Stellenwerts in der kulturellen Vergangenheit des Landes. Der Kamelmarkt ist eine echte Fusion von Vergangenheit und Gegenwart und ist für interessierte Reisende eine faszinierende Gelegenheit, die arabische Kultur zu erleben. Einen Trip zum Kamelmarkt kann man von Riyadh aus ohne großen Aufwand realiseren – ein gewöhnliches Mietauto, Google Maps und etwas Abenteurlust reichen aus! Wir empfehlen, eine Übernachtung einzuplanen und in Riyadh gemütlich am späten Morgen aufzubrechen. Wer Lust darauf hat, seinen saudischen Road-Trip etwas zu verlängern, kann von Riyadh kommend auch über das Oasendorf Ushaiqer fahren (darüber gibts hier #SaudiMAG auch eine Story). Buraydah selbst ist eine typische, arabische Mittelstadt mit rund 700.000 Einwohnern, die man über gut ausgebaute Landstraßen innerhalb von fünf Stunden erreichen kann. Im Zentrum der Stadt gibt es zahlreiche authentische Restaurants und einige Hotels, die einen guten, wenn auch nicht luxuriösen Standard bieten.
Der Trip wird sich lohnen, denn es wird eine Reise in ein ursprüngliches, nicht für den Tourismus gestaltetes Arabien sein. Schnell werden Reisende erkennen, daß Neugier und Interesse gegenseitig sind. Viele Saudis freuen sich über westliche Besucher und darüber, ihr Land der Welt präsentieren zu können. Tourismus ist hier noch eine ganz neue Idee – Reisen nur des Reisens wegen! Das wundert die Einheimischen schon manchmal, und schnell wird man gefragt, woher man sei und wie es einem im Königreich denn gefalle. Auf dem Kamelmarkt lässt sich ungezwungen zwischen den Tieren herumlaufen und die Händler werden neugierig zuschauen. Eine freundliche, offene Art ist auch hier wie überall auf der Welt ein Öffner für Türen und Herzen #