Foto: Adobe Stock, Saudisches Tourismusamt
An der Corniche von Jeddah wiegen sich die Palmen in der Brise vor der breiten, glitzernden Wasserfläche des Roten Meeres. Die historische Hafenstadt, die man im Deutschen auch Dschidda nennt, ist das traditionelle, maritime Tor zu den heiligen Stätten Saudi-Arabiens; seit Jahrhunderten legen am Hafen Pilgerschiffe an. Doch auch auf der sagenumwobenen Gewürzstraße des Indischen Ozeans war die Stadt lange ein wichtiger Umschlagspunkt. Jetzt langsam kommen auch die westlichen Touristen. Es spricht sich herum, dass Saudi-Arabien seine arabisch-orientalische Ursprünglichkeit noch nicht durch Hotelburgen und Touristen-Nippes eingetauscht hat.
Die Stadt ist rund 2.500 Jahren alt. Jeddah, das bedeutet wahrscheinlich soviel wie “Großmutter” – ganz genau kann man das aber nicht mehr sagen. Eine Legende jedenfalls erzählt, dass hier Eva begraben liegt. Sie wird im Islam als Großmutter der Menschheit verehrt – es ist die selbe, die man auch aus der Bibel kennt. Im alten Hafen sieht man die anmutige weiße Shafi’i-Moschee mit ihrem Minarett, das seit 800 Jahren hier steht. Sehr wahrscheinlich, dass auch T. E. Lawrence, der “Lawrence von Arabien” diese Moschee passiert hat, als er 1916 von diesem Hafen aus seine Geheimdienst-Abenteuer gegen das Osmanische Reich begann.
Für Touristen ist heute bestimmt die ursprünglich erhaltene Altstadt das Highlight. Al-Balad liegt ganz in der Nähe des alten Hafens aus dem siebten Jahrhundert. Es ist der erste Ort in Arabien, den die muslimischen Pilger im Zeitalter vor dem Flugzeug gesehen haben als sie noch mit Schiffen herkamen. Rund 650 weiß verputzte Korallensteingebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert bilden das Zentrum des alten Jeddah. Al-Balad gehört seit 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Altstadt, einst ein Zentrum des Gewürzhandels, ist ein Puzzle aus weiß getünchten Gebäuden, die mit geschlossenen Balkonen aus indischem Teakholz verziert sind. Die Schlagläden sind in Gitterform geschnitten und werden “Maschrabbiyya” oder dem persischen Wort für die Rose folgend auch “Roshans” oder “Rawashin” genannt. Hier konnten die Frauen sitzen und auf die Straße hinaussehen, ohne selbst gesehen zu werden. Orient-Reisende kennen solche Rawashin aus Nordafrika, Ägypten oder aus der Levante. Wenn sie nicht in der natürlichen Farbe des dunkelbraunen Teakholz gehalten sind, werden sie gern grün oder himmelblau gestrichen. Grün ist die Farbe des Islam und des Königreichs Saudi-Arabien, während Blau von den Maschrabiyya von Sidi Bou Said inspiriert ist, einem städtischen Meisterwerk nördlich von Tunis am Mittelmeer. Keine zwei Rawashin sind identisch, keine zwei Häuser gleichen sich, und doch wirkt das architektonische Muster in Al-Balad einheitlich. Es folgt noch den uralten Straßenzügen. Zahlreiche Katzen tummeln sich in den schläfrigen Gassen von Alt-Dschidda und beobachten die vorbei schlendernden Besucher so desinteressiert, wie sie das sicherlich seit ein paar Jahrhunderten schon tun.
Der Geruch von Weihrauch verzaubert und belebt die Besucher im historischen Al-Balad, wie man es oft im ganzen Königreich riecht. Denn hier in der Altstadt liegt auch der älteste Souk der Stadt – der traditionelle arabische Marktplatz. Der Souk bietet seinen Besuchern die Möglichkeit, lokale Produkte, Gewürzen, Lederwaren, Oud-Weihrauch, arabische Parfüm-Öle und viele anderen Artikeln zu entdecken, zu kaufen und ja auch…zu feilschen. In orientalischer Manier haben sich die Händler hier in ihren Gilden organisiert, also gibt es Weihrauchhändler neben Weihrauchhändler, Süßwaren neben Süßwaren. Klar, auch die Süßigkeiten sind in der Altstadt noch jene, die man hier schon immer anbietet. Und so stehen Hunderte von durchsichtigen Kisten mit indonesischen Tamarindenkernen nebeneinander, mit getrockneten Aprikosen aus Syrien, verschiedenen Trockenfrüchten aus Thailand und Dutzenden verschiedener Dattelsorten aus Saudi-Arabien. Die Stadt ist ein Schmelztiegel der Kulturen, in dem sich Einflüsse aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien vermischen. Dies spiegelt sich in der kulinarischen Szene von Jeddah wider, die einige der besten Restaurants und Cafés des Landes bietet. Hier können Sie die exotischen Aromen von Gewürzen, frischem Fisch und Meeresfrüchten genießen, die von den örtlichen Märkten stammen.
Wir sagen auf Arabisch, dass die Häuser miteinander sprechen. Das Gitterwerk der Fenster in all seinen Variationen stellt eine Geometrie dar, die sowohl die Einheit als auch die Vielfalt der islamischen Welt zum Ausdruck bringen soll
Abir Jameel Abu Sulayman, Reiseleiterin in Jeddah
in einem der alten Häuser ist übrigens auch das Al-Tayibat International City Museum untergebracht, eines der bekanntesten traditionellen Museen in Saudi-Arabien. Es beherbergt eine umfangreiche Sammlung von Artefakten und Exponaten, die die Geschichte und Kultur der Region darstellen. Besucher können hier traditionelle Kostüme, Schmuck, Handwerkskunst, Waffen und Werkzeuge bewundern.
Zwei Dinge fallen immer wieder auf: die zurückhaltende Freundlichkeit der Einwohner und Händler und die weitgend fehlende touristische Infrastruktur. Gäste kennt man in einer alten Hafenstadt natürlich – doch es waren immer Handelsreisende oder Pilger. Die einen kamen der gute Geschäfte wegen, die anderen hatten Spirituelles im Sinn. Westliche Besucher kommen allein aus Lust am Reisen, aus Neugier, zur Erholung – das ist ein Konzept, das hier noch nicht ganz normal ist. Deshalb ist 2024 bestimmt der richtige Zeitpunkt für einen Besuch – während eines magischen Zwischenspiels nach der behutsamen Renovierung und Reaktivierung der Altstadt…und noch vor der Ankunft der Urlaubsscharen und der Starbucks-Filialen. Denn diese werden bestimmt kommen. Die Touristen zuerst mit den neuen Cruise-Ships, die gerade erst in Saudi Station machen. Und die Starbucks werden aus dem modernen Jeddah herüber in die Altstadt kommen.
Den Saudis gefällt die heutige Zeit, das spürt und hört man an jedem Ort, auch hier in Al-Balad. Viele von ihnen wurden im Ausland ausgebildet, sind Teil einer globalisierten Welt geworden, doch kehrten sie zurück nach Hause und blieben ihren kulturellen Werten treu. So sieht man die Männer in ihrem traditionellen weißen Outfit und die meisten Frauen in Abaya und Hijab, die nun aber auch mal allein in Cafés sitzen, in ihre Laptops tippen und männliche oder weibliche Freunde begrüßen. Die Saudis sind kosmopolitisch geworden ohne ihre Wurzeln zu kappen. Al-Balad ist die Heimaterde dieser Wurzeln und freut sich darauf, neue Gäste zu begrüßen #