Foto: Lucid Motors
Ende 2023 hat der kalifornische Elektroautobauer „Lucid Motors“ den Startknopf in seinem nagelneuen Montagestandort in Jeddah, Saudi Arabien gedrückt; mittlerweile ist die Produktion von Fahrzeugen routiniert angelaufen. Das Werk in der King Abdullah Economic City ist die erste vollständige Fabrik mit einer sechsstelligen Produktionskapazität für Elektroautos im Nahen Osten. Es ist weltweit das zweite Werk von Lucid Motors.
Moment mal…wie heißt das Auto ? Tatsächlich ist die Fahrzeugmarke kaum bekannt und spielt seit ihrer Formierung eine Nischenrolle, was nicht allein an der Preisgestaltung liegt. Lucid Motors sieht sich als Premium-Marke im Luxus-Segment, rund 25.000 Autos sollen laut Expertenmeinung bisher (Herbst 2024) verkauft worden sein. Das Preisschild am gegenwärtig einzigen Modell, dem Lucid Air, startet nach radikaler Preissenkung mittlerweile bei 85.000 Euro und damit auf Niveau eines Tesla-S, steigt aber auf bis zu 200.000 Euro, je nach Ausstattung. Gern positioniert sich die Marke als Tesla-Herausforderer. Tesla, das ist die vormalige berufliche Heimat des heutigen Lucid-CEO Peter Rawlinson.
Die technischen Details können sich sehen lassen, sie sind auf modernstem Stand und durchaus innovativ. So bietet das Basismodell 700 Kilometer Reichweite und schon auf einem 15-minütigen Ladestopp lassen sich 400 Kilometer nachladen. Nun gut, das trifft so auch auf einen konventionell befeuerten Ford Fiesta zu. Der Lucid Air nutzt allerdings eine ganz neue, kraftvolle 900-Volt-Antriebstechnik aus der Sportwagenwelt und gilt als das Modell mit dem weltweit niedrigensten Luftwiderstand…mit entsprechenden Beschleunigungs- und PS-Werten. Über eine Kooperation mit Aston Martin wird schon getuschelt – was daran Fakt ist, was frommer Wunsch, lässt sich schwer einschätzen.
Wir sind stolz darauf, mit Unterstützung der saudischen Regierung die lokale Technologiebranche voranzutreiben
Peter Rawlinson, CEO von Lucid Motors
Fakt ist: Die Saudis sind aus dem Häuschen voller Stolz – so ein schnittiges Fahrzeug, es wird sofort als „Made in Saudi“ vereinnahmt. Die Realität allerdings, sie ist etwas komplizierter. Und sie ist bitter: Der Aktienkurs von Lucid Motors hat einen tiefen Fall hinter sich, die Firma hat eben erst 1.000 Mitarbeiter im Stammwerk in Arizona entlassen…und sie wäre in den letzen Jahren bereits mehrfach zugrunde gegangen, wäre nicht immer mal wieder frisches Kapital hereingekommen. Schon wollte sich Lucid Motors in seiner Verzweifelung von Ford kaufen lassen, ohne Erfolg. In Saudi-Arabien glaubt man offensichtlich an die Vision und an das Potential, das in diesem Fahrzeug steckt. Der mächtige Public Investment Fund (PIF) aus Riyadh ist nach mehrmaligen Kapitalspritzen der größte Anteilseigner von Lucid Motors und wird noch weitere Milliarden in das Unternehmen einbringen. Damit ist Lucid Motors mehr oder weniger schon jetzt ein weiteres Projekt des PIF, das die lokale Wirtschaft im Rahmen der Vision 2030 diversifizieren soll.
Realität ist auch: Das Fahrzeugwerk in der King Abdullah Economic City fängt bescheiden an. Es wird sich zunächst auf die Montage von Fahrzeugbausätzen konzentrieren, die aus den Vereinigten Staaten angeliefert werden. Die neue Fabrik wird also vorerst Lucid-Fahrzeuge ausliefern, die bereits in der ersten Fabrik des Unternehmens in den Vereinigten Staaten produziert, dann für den Versand zerlegt und anschließend in Saudi-Arabien wieder zusammengeschraubt werden. Während das Werk heute über eine tatsächliche, jährliche Produktionskapazität von 5.000 Fahrzeugen verfügt, will das Unternehmen nach eigenen Angaben „nach der Mitte des Jahrzehnts“ mit einer Jahreskapazität von 150.000 Fahrzeugen in Saudi-Arabien die Produktion von Grund auf übernehmen. Das ist allerdings eine fantastische Stückzahl, denn es muss erst einmal die Nachfrage da sein – wo immer sie herkommen mag – und man braucht dann einen riesigen Maschinenpark, der Multi-Milliarden Dollar kostet. Es sei denn, man verschifft gleich die Fertigungsanlagen von Arizona nach Jeddah.
Der heutige Tag ist ein stolzer Moment für uns alle bei Lucid, da wir eine Rolle in der Geschichte Saudi-Arabiens spielen und einen langfristigen wirtschaftlichen Wert für das Land schaffen
Faisal Sultan, Vice President und Managing Director Middle East
Der Standort des Werks in der Nähe von Jeddah ist strategisch gut gewählt – die Lage an der Küste des Roten Meeres bietet einen soliden Zugang zur Lieferkette auf dem Land- und Seeweg und macht es Lucid Motors leicht, seine fertigen Luxus-Elektrofahrzeuge künftig auch in andere Regionen zu exportieren. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass durchaus ein Masterplan hinter der anscheinend eher gewagten Investition stehen könnte.
Als zusätzliche Anschubhilfe neben den Dollars aus dem PIF, hat auch die saudische Regierung mit Lucid eine zehnjährige Vereinbarung über den Kauf von 5.000 Fahrzeugen pro Jahr getroffen, die Lucid in Jeddah wohl gerade noch halb-maschinell in Handarbeit zusammenbauen könnte. Mit im Paket mit dem Kaufvertrag ist eine Option für die Abnahme weiterer 5.000 Autos pro Jahr. Das Königreich möchte, dass bis 2030 30 % der Neuwagenverkäufe im Königreich elektrisch sind. Die Autos regierungsseitig selbst zu erwerben, hilft insofern der Statistik und schafft Arbeitsplätze im Land. Und die lokale Polizei im Königreich wird es auch freuen, sollen doch zahlreiche Streifenwagen zukünftig Lucid-Air-Modelle sein.
In der Produktion von Elektrofahrzeugen sieht der Staat eine zeitgemäße Möglichkeit, den eigenen Produktionssektor anzukurbeln. Momentan gibt es rund 160 Betriebe in Saudi-Arabien, die sich mit Automobilfertigung in den verschiedenen Produktionsstadien beschäftigen, hier hat sich also bereits einiges getan. Hyundai hat soeben ebenfalls Investments angekündigt.
Auch das neue Lucid-Montagewerk in Jeddah bietet also neue Arbeitsplätze, die man im Königreich dringend braucht – auch wenn diese sehr teuer erkauft sind. Bereits 2022 hatte der PIF mit „Ceer“ eine andere Elektroauto-Marke angeschoben. Die erste saudische Fahrzeugmarke ist ein Joint-Venture mit Foxconn aus China. Wenn man sich die hohen Summen anschaut, die der PIF in Lucid Motors investiert, kann es durchaus eine Strategie sein, mittelfristig beide Marken zu verschmelzen, auf die der PIF bereits Einfluss hat – Ceer und Lucid. Lucid Motors arbeitet übrigens auch an seiner Verfügbarkeit im deutschsprachigen Raum; Showrooms in München (der erste in Europa überhaupt), in Düsseldorf, Frankfurt und dem schweizerischen Zürich wurden bereits geöffnet; Shops in Stuttgart und Hamburg kommen demnächst dazu. In Österreich ist die Marke bisher nicht vertreten. Wir werden berichten #