Das Catalina Flugzeugwrack

Idyllisches Ausflugsziel mit dramatischer Geschichte
Catalinakids

Foto: Redaktion, Life Shutterstock

Die Reste eines Wasserflugzeugs sind in der Region Tabuk bei Neom am Roten Mehr ein beliebter Ausflugsort. Das Wrack liegt direkt am Strand; die Einheimischen kommen gern mit ihren SUVs herbeigefahren um den Sonnenuntergang am Meer zu genießen. Kinder spielen herum, der Ort ist wunderschön und friedlich.


Wenn man darauf achtet, kann man die vielen Einschußlöcher gut in der Flugzeughaut erkennen – das Wrack der Catalina ist voll davon. Aber was ist die Geschichte dahinter?

Kaum jemand weiß genau, warum das Flugzeug hier liegt. Die von der örtlichen Antikenverwaltung angebrachte Hinweistafel jedenfalls (s.u.), die das “Catalina Seaplane Wreckage” als Bodendenkmal ausweist, ist weder ergiebig, noch inhaltlich zutreffend…eher sagen wir mal “vage und verallgemeinernd”. Denn es war eine dramatische Szene – wie aus einem Spielfilm – die sich vor 63 Jahren hier abgespielt hat…als am Nachmittag des 23. März 1960 über 300 Gewehrkugeln das Flugzeug von Thomas Kendall durchschlagen. Davon steht nichts auf der Hinweistafel…

Familie Kendall am Tag vor der Tragödie in Ägypten, bestaunt von einer freundlich gestimmten Menschenmenge

Lesen Sie auf #SaudiMag die ganze Story zum Catalina Flugzeugwrack

Erstmals auf Deutsch: Die ganze Geschichte für alle, die mehr wissen wollen

Mitte des letzen Jahrhundert hat Thomas Kendall in den USA sein Vermögen gemacht. Klimaanlagen hat er zuerst im Großraum von Los Angeles verkauft, die Firma immer weiter ausgebaut. Ende der 50er Jahre, da ist er Anfang 40, setzt er sich zur Ruhe und beschließt, sich einer Weltreise und damit verbundener Abenteuer zu widmen. Er erhält die Gelegenheit, einige mittlerweile unnötige Flugzeuge aus dem 2. Weltkrieg zu erwerben – zweimotorige Amphibien-Flugboote des Typs Consolidated PBY „Catalina“, die als See-Aufklärer entwickelt wurden, und sowohl auf dem Wasser, als auch an Land landen und starten können.

Drei Maschinen lässt Kendall technisch auf den neuesten Stand bringen und zusammen mit dem Innenarchitekten Georg Erb zu luxuriösen Reiseflugzeugen umbauen. Jede Maschine erhält ein eigenes Farb- und Designkonzept und soll als Verkaufsmuster für eine geplante Serienproduktion dienen. Denn er hat eine Geschäftsidee – er will weitere dieser Maschinen günstig erwerben und aus dem Umbau zu Luxusflugzeugen ein Business machen. Innenarchitekt Erb baut ein goldenes, ein türkisfarbenes und ein rot-schwarzes Flugzeug für jeweils vierzehn Passagiere. Die Ausstattung umfasst farblich abgestimmte Sofas statt normalen Flugzeugsitzen, da sie sich in Betten umwandeln lassen. Es gibt eine moderne Bordküche, einen Waschraum mit WC und einen eigenen Speisebereich mit einem großen Tisch. Die Verkaufs-Idee nennt er “Flying Yacht”. Schon damals weiss man in den USA, dass man einer neuen Idee, die man verkaufen will, einen guten Namen geben muss.

Die Welt der 50er Jahre ist verliebt in Mobilität und noch mehr in alles, was fliegt. Die PBY „Catalina“ bietet sich als Muster für ein Luxus-Reiseflugzeug an – sie ist geräumig genug für größere Familien, hat eine erstaunliche technische Zuverlässigkeit, ist als Flugboot enorm sicher, kann rund 20 Stunden in der Luft bleiben….und verfügt im Rumpf über zwei riesige, nach außen gewölbte Plexiglasblasen, die den Passagieren einen unvergleichlichen Blick auf die Welt unter ihnen ermöglichten.

Das Muster wurde rund 20 Jahre in hoher Stückzahl in Lizenz von verschiedenen Firmen gebaut (eine davon PBY) und seit Anfang der 50er Jahre wurden die Flugzeuge zunehmend ausgemustert. Als Mr. Kendall Interesse hat, gibt es Catalinas auf dem Gebrauchtmarkt günstig und in Hülle und Fülle…denn sonst will niemand altes Kriegsgerät haben. So braucht er Mitte der 50er Jahre nur zuzugreifen. Ganz der typische US-Sunnyboy-Selfmade-Millionär, verbindet er Abenteuerlust und Geschäftstüchtigkeit: Die ganze Famile startet in der türkis-farbenen Catalina auf eine Weltreise – begleitet von Kendalls Sekretärin, deren Sohn und dem Reporter David Lees vom angesagten Life-Magazin. Die Kooperation mit dem für großformatige Fotostrecken und abenteuerliche Geschichten berühmten Magazins soll aufmerksamkeitstarke Promotion für den Serienverkauf der Luxus-Flugboote bringen.


Das Flugzeug wurde als See-Aufklärer entwickelt und hat deshalb an beiden Seiten große, gewölbte Plexiglasfenster, die den Passagieren einen atemberaubenden Ausblick bieten

Nach einem Stopp zur Besichtigung der Pyramiden in Ägypten nimmt die Catalina am 22. März 1960 Kurs auf den Golf von Aqaba, gesteuert vom Ehepaar Kendall, die beide lizensierte Piloten sind. Nah am Strand wassern sie die Maschine für die Nacht.

Das Geräusch des Flugbootes hat eine Gruppe aggressiver Beduinen vom Stamm der Howeitat aufmerksam gemacht. Die Howeitat leben als Söldner, Schmuggler und Strauchdiebe zwischen dem Wadi Rum in Jordanien und dem saudischen Golf von Aqaba; die karge Region sehen sie als ihr Territorium an. Beobachter beginnen das Flugzeug und die Passagiere im Auge zu behalten. Kurz meint Thomas Kendall am Abend, dass er im Mondlicht vielleicht den Umriss einer Gestalt am Ufer erkannt hat. Er folgt einer Ahnung und hisst zur Sicherheit eine amerikanische Flagge am Flugzeug. Saudi-Arabien und die USA verbindet eine diplomatische Freundschaft. Alle gehen schlafen, und der nächste Tag beginnt als friedlicher Urlaubstag. Nichts deutet darauf hin, wie alptraumhaft er enden wird – so albtraumhaft, dass noch heute das Flugzeugwarack am Strand davon kündet !

Um 16:32 Uhr beginnt die Tragödie

Am Morgen plantschen die Kinder durch das seichte Wasser, dass das Flugboot vom Strand trennt an Land, um Muscheln zu sammeln. Thomas Kendell wartet die Motoren und David Lees macht Fotos für seine Weltreise-Reportage. Als Kendell einen der Motoren startet, um ihn bei Drehzahl zu testen, ist das anscheinend ein Warnssignal für die Gruppe Einheimischer, die das Flugzeug seit Stunden im Auge behält.

Plötzlich schlagen Geschosse im Wasser nah dem Flugzeug ein; „Es ging los um 16:32 Uhr“ erinnert sich Kendall später, und David Lees meint, dass er in seinen vielen Kriegsjahren noch nie ein so konzentriertes Feuer erlebt habe. Er schätzt, dass 3.000 bis 4.000 Schuss abgefeuert wurden. Mindestens 300 treffen das Flugzeug. Die dünne Aluminiumhülle bietet den Passagieren nur wenig Schutz, doch die mangelhafte Ausbildung der Schützen, die schlechte Wartung der Gewehre und die große Schussweite sorgen für das (relativ) geringe Trefferverhältnis. Sie sind das Glück im Unglück.

Kendall und seine Begleiter haben sich auf den Boden des Flugzeugs gekauert, die Kinder nah am Radkasten unterhalb der Wasserline, wo an den Seiten der Proviant gestapelt ist, der so noch etwas zusätzlichen Schutz bietet. Aber, das ist Kendall bewusst, es besteht noch immer große Gefahr. Obwohl es fast unmöglich ist, dass die Kinder direkt getroffen werden, befindet sich der Radkasten doch direkt unter den Treibstofftanks. Er befürchtet, dass das Benzin aus den durchlöcherten Tanks abfließen und dann von einem Funken entzündet werden kann. Kendall rutscht – mittlerweile zweifach angeschossen und stark blutend – zur Pilotenkabine, um das Flugzeug zu starten. Er glaubt zwar nicht, dass er es in die Luft bringen kann. Aber wenigstens sollte es gelingen, mit Hilfe der Motoren den Abstand zum Land weiter zu vergrößern und vielleicht außer Reichweite der Gewehre zu gelangen.

Barfuss, nass und ölverschmiert, so haben wir uns auf den Strand gerettet

Thomas Kendall, wie er sich später erinnert

Die Motoren springen an, heulen auf und die Catalina bewegt sich an der Küstenlinie entlang, läuft aber nach 100 Metern im seichten Wasser auf einem Korallenriff auf Grund. Man muss wissen, dass Korallenriffe nicht nur die anmutigen Strukturen sind, die man aus Unterwasser-Urlaubsfilmen kennt. Die Riffe bestehen vor allem aus abgestorbenen Korallen, die hart wie Zement sind und nah dem Strand messerscharfe, zerklüftete Strukturen bilden. Deshalb reißt der Rumpf der Catalina sofort auf. Kendall erinnert sich, dass sofort Meerwasser durch fußhohe Risse hereinströmt, die aussehen, als wären sie von einem riesigen Dosenöffner aufgerissen worden. In der Kabine schwimmt alles umher, die Pracht der Innenausstattung ist dahin, Öl- und Benzinfontänen ergießen sich aus den mittlerweile durchschossenen Flügeltanks in die Maschine, füllen die Luft mit explosiven Dämpfen. Den Passagieren bleibt nur die Flucht aus der Pilotenkanzel hinaus, hinüber zum nahen Strand, schwimmend und kletternd durch die harten Korallenriffe. Wer die Küstenlinie kennt, hier am heute noch weitgehend unberührten Golf von Aqaba, der weiss, wie massiv und scharf die Korallenriffe gleich am Strand sind.

An Land ergeben sich die Passagiere nun ihrem Schicksal, barfuß, triefend nass und verschmiert mit Öl und Blut in notdürftiger Bade- und Freizeitkleidung. Die Angreifer kommen in zwei Lastwagen herangefahren – es sind 60 bis 80 Männer an Bord, noch immer wild in Richtung der wehrlosen Touristen schießend, die ihre Hände erhoben haben. Einer von Kendalls Söhnen schwenkt ein weißes T-Shirt und die US-Flagge. Er erinnert sich später: „diese Soldaten waren die grimmigsten Männer, die ich je gesehen habe. Es waren Beduinen, viele hatten langes verfilztes Haar und ihre Zähne waren gefeilt. Die meisten von ihnen trugen eine Kombination aus Stammeskleidung und khakifarbener Uniform. Sie waren sehr aufgeregt und zeigten ihre Gewehre“. Thomas Kendall beschreibt den ersten Moment der Begegnung: „Ein Mann rannte neben dem ersten Lastwagen auf mich zu, schrie und zog den Stift einer Phosphorgranate. Zwei weitere Männer sprangen vom ersten Lastwagen ab, und alle drei stießen mit ihren Gewehren auf mich ein, während der Rest weiter zu meiner Familie rannte, die dort wartete. Ich hatte erhebliche Schmerzen und konnte kaum die Hände hochhalten, und ich hatte nichts als eine blutige Badehose und ein Sporthemd an, aber sie filzten mich. Dann traten sie einen Schritt zurück und alle drei richteten ihre Gewehre auf meine Brust. Ich beobachtete ihre Finger, die buchstäblich am Abzug zuckten.“

Ein Mann rannte auf mich zu, schrie und zog den Stift einer Phosphorgranate

Die Beduinen laden die ganze Reisegruppe auf einen der Lastwagen; nach zwei Stunden Fahrt durch die steinige Einöde, die hier in der Provinz Tabuk aus kargem Gebirge und trockener Steinwüste besteht, ist das Lager der Howeitat erreicht. Es besteht aus einer Ansammlung von Zelten und einem kleinen, viereckigen Lehmgebäude, in dem die Gruppe über Nacht untergebracht wird. Der nächste Morgen beginnt mit Aufregung im Lager – die Howeitat-Soldaten kleiden sich plötzlich in saubere Uniformen; die Älteren des Beduinenstammes haben draußen Aufstellung genommen in langen blauen Gewändern mit goldenen Borten. Sie haben erfahren, dass ein Mitglied der Königsfamilie zu ihnen kommen wird. Es ist Prinz Khalid ibn Saud, einer der Söhne des damals umstrittenen König Saud. Er trägt wallende weiße Gewänder, ist groß, höflich und sehr ruhig. Mit ihm erscheint ein Offizier der saudischen Luftwaffe, der Englisch spricht und für den Prinzen übersetzt – allerdings falsch, wie sich später herausstellen wird.

Die Beduinen kleiden sich plötzlich in saubere Uniformen, hoher Besuch hat sich angekündigt

Es wird klar, dass der Hinterhalt, der Angriff und die Behandlung, die die Reisegruppe erleiden musste, auf einen Irrtum und auf die fanatische Angst der Beduinen vor einer Invasion zurückzuführen sind. Und auf Unwissen…selbst von einer amerikanischen Flagge habe die Angreifer noch nie gehört. Prinz Khalid und sein Gefolge schlagen ein Lager in der Nähe des Flugzeugs auf, und der Prinz lässt Thomas Kendall Wasser aus seiner eigenen Feldflasche bringen „es duftete zart nach Rosmarin“ so schreibt das Life-Magazin später.

Wie endet diese Geschichte? Die Beduinen werden hart bestraft, und die Reisegruppe erst in der Provinz-Hauptstadt Tabuk medizinisch versorgt, dann nach Jeddah geflogen, von wo aus sie nach drei Wochen die Heimreise antreten. Das Flugzeug der Familie Kendall wird kurz nach dem schlimmen Tag an Land gespült und geplündert. Heute noch liegt es dort am Strand und ist seitdem zu einer kleinen Attraktion geworden – nicht wegen seiner dramatischen Geschichte, sondern weil es eine interessante Landmarke in einer heute idyllischen Bucht ist. Die spannende Geschichte dahinter, sie ist hingegen kaum bekannt #

Catalina Airplane Wreckage Tabuk – information given on official plate at the site on Tabuk beach
Hinweistafel zur Geschichte des Flugzeug-Wracks am Strand…inhaltlich eher vage und geschichtlich klitternd
Comments 2
  1. Der Beitrag würde einiges erklären, sowas ähnliches hatte unser Guide auch angedeutet. Deshalb hatte mich der Inhalt der Infotafel überrascht, es gab auch sonst so gut wie keine Infos zu dem Flugzeugwrack. Danke für den Artikel.

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