Foto: Saudi Aramco, saudisches Presseamt
Die Hitze flimmert über dem Asphalt, als wir die breite Küstenstraße entlangfahren, die Dammam mit dem Rest Saudi-Arabiens verbindet. Links die endlose Weite der Wüste, rechts das türkisfarbene Wasser, das man an diesem Ufer den Arabischen Golf nennt. Doch es ist nicht die Natur, die hier den Rhythmus vorgibt – es ist das Öl. Seit fast einem Jahrhundert schlägt in dieser Stadt das wirtschaftliche Herz des Königreichs, und der Name, der alles überragt, ist SAUDI ARAMCO.
Es begann mit einem Bohrturm. Im Jahr 1933 unterzeichnete der saudi-arabische König Abdulaziz einen Vertrag mit der amerikanischen Firma Standard Oil of California – die Geburt der Arabian-American Oil Company, heute bekannt als Saudi Aramco. Die ersten Funde in der Nähe von Dammam, im Ölfeld Dammam No. 7, waren bescheiden, doch sie läuteten eine Revolution ein. Plötzlich war das Königreich nicht mehr nur ein Land der Wüste und Pilgerstätten, sondern ein globaler Player, dessen Reichtum unter der Erde schlummert.
Dammam wuchs mit Aramco. Was einst ein beschauliches Fischerdorf war, wurde zum Tor der saudi-arabischen Ölindustrie. Die Raffinerien, die sich heute wie riesige, glänzende Labyrinthe am Stadtrand erstrecken, sind das sichtbare Zeichen dieser Transformation. Aramco ist mehr als nur ein Unternehmen – es ist eine Institution, die das Schicksal des Landes geprägt hat. Was im Vereinigten Königreich die Kronjuwelen, das ist im Königreich der Al Sauds diese Firma: Ein Schatz von unermesslichem Wert, bestens gehütet und staatlich geschützt. In den 1970er-Jahren übernahm Saudi-Arabien die Kontrolle über das Unternehmen, und Aramco wurde zum Symbol nationaler Souveränität und wirtschaftlichen Stolzes.


Fotos von den ersten Öl-Bohrungen in den späten 1930er Jahren, unten das Bohrloch Nummer 7, aus dem der Reichtum Saudi-Arabiens zu sprudeln begann
Wenn man durch die Straßen Dammams fährt, spürt man diese Geschichte. Die modernen Bürogebäude, die sich in der Sonne spiegeln, die internationalen Hotels, in denen Geschäftsleute aus aller Welt verhandeln – alles ist durchtränkt vom Öl. Doch Aramco hat sich längst weiterentwickelt. Heute investiert das Unternehmen Milliarden in erneuerbare Energien, in Wasserstoffprojekte und in die Diversifizierung der saudi-arabischen Wirtschaft. In Dammam, wo einst nur Öl gefördert wurde, entstehen heute Forschungszentren für Solarenergie und High-Tech-Industrieparks.
Maha, eine saudische Ingenieurin, mit der ich mich in einem Café an der Corniche treffe, erinenrt sich: „Meine Großeltern haben gern von den ersten Bohrungen erzählt. Davon, wie zuerst britische Spezialisten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten herüber kamen, nach Öl suchten, sie aber nichts fanden. Wie die Amerikaner kamen, „die Boys“. So nannte man sie hier. Sie waren jung und taff, und sie bohrten tiefer. Und waren erfolgreich. Diesen Beitrag der Amerikaner haben wir hier in Saudi-Arabien nie vergessen. Aber heute arbeiten wir daran, dass Saudi-Arabien nicht nur Öl exportiert, sondern auch Wissen und Innovation.“
Mahas Worte hallen in mir nach, während ich später mit dem Leihwagen noch ziellos herumfahre. Draußen leichten die Lichter der Raffinerien in der Dämmerung auf. Ich erinnere mich, dass Aramco selbst nicht gern spricht. Vor allem nicht, wenn Antworten abseits mehrfach intern geprüfter Phrasen gefragt sind. Die Pressestelle versendet Autoresponder, um Presseanfragen ins Leere laufen zu lassen. So war es bei bisher allen Anfragen von #SaudiMag – vielen Dank, wir bearbeiten Ihre Anfrage so schnell es geht. Die Bearbeitung dauert nun schon viele Monate. Aramco demonstriert, wie Kommunikation in diesem Staat definiert ist: Besser ist es, nichts zu sagen. Wer sich nicht bewegt, wird auch nicht verletzt. Auch das saudische Kronjuwel liegt hinter Panzerglas, sozusagen.
Doch Dammam ist nicht nur Aramco. Die Stadt ist auch ein Spiegel des sozialen Wandels. In den 1950er-Jahren war sie eine der ersten Städte Saudi-Arabiens, die sich für ausländische Arbeiter öffnete. Amerikaner, Europäer, Asiatinnen und Afrikaner kamen, um in der Ölindustrie zu arbeiten, und brachten ihre Kulturen mit. Das gigantische Betriebsgelände wurde schnell zu einer Exklave der westlichen Welt mitten im konservativen Saudi-Arabien; sogar in den konservativsten Zeiten des Königreichs hatten selbst Frauen hier hinter den Firmenmauern größere Freiheiten, hatten Zugang zu westlichen Produkten, Kino und Musik, hatten Einblick in eine unbekannte Lebensweise.
Maha, deren Eltern und Großeltern für das Unternehmen tätig sind und waren, hatte es in einem Nebensatz auf den Punkt gebracht: „Wir haben hier schon immer zwei Nationalitäten. Wie sind Saudis und wir sind Aramco“. Langsam verstehe ich, was sie damit meinte.
Das, was in den „Gated Communities“ von Aramco passierte, blieb in den Gated Communties von Aramco – auch, wenn es immer wieder Abstrahlungen gab nach außen. Langsam wurde Dammam zu einer der multikulturellsten Städte des Landes – ein Ort, an dem neben traditionellen Souks schneller moderne Einkaufszentren wuchsen, als im Rest Saudi-Arabiens. Hier konnte man schon in den 90ern einem Restaurant saudi-arabisches Kabsa essen, während im Hintergrund Popmusik aus den USA lief.
Am Abend, wenn die Hitze nachlässt, spazieren Familien entlang der Corniche, dem Uferboulevard. Kinder lachen, während ihre Eltern auf Bänken sitzen und den Blick auf das Wasser genießen. Es ist ein Bild des Friedens, das zeigt: Dammam ist nicht nur eine Stadt des Öls, sondern auch eine Stadt der Menschen.
Die Zukunft Dammams – und Saudi-Arabiens – wird nicht mehr allein vom schwarzen Gold abhängen. Doch Aramco bleibt ein Symbol für den Weg, den das Land gegangen ist. Von den ersten Bohrtürmen bis zu den heutigen Investitionen in eine Welt nach dem Öl – Dammam steht für den Traum einer Nation, die sich neu erfindet.
Und wenn die Sonne über dem Golf untergeht, leuchten die Lichter der Raffinerien wie ein Versprechen: Hier wird nicht nur Öl gefördert, sondern auch die Zukunft. Ob wir darüber sprechen oder nicht #