Foto: Saudischer Fußballverband (SAFF) – Text: Dieser Beitrag ist eine Übernahme von der Pressestelle FIFA.com (2021)
Rückblick: 6.430 Kilometer beträgt die Distanz (Luftlinie) zwischen Gambia und Saudi-Arabien – der alten und neuen Heimat von Monika Staab. Seit dem Spätherbst 2018 leitete sie das „German Gambian Football Project“, bis COVID-19 kam und ein Anruf… „Letztes Jahr im November (2020; Anmerkung der Redaktion) hat mein Telefon geklingelt – ich sah die Nummer +966 und wusste nicht, was dahintersteckt. Ich habe mir dann gesagt: Komm, da gehst Du jetzt ran“, erzählt Monika Staab im Interview mit FIFA.com. „Und dann kam: Hier ist der saudische Fussballverband. Wir würden Sie gerne für unseren ersten C-Lizenz-Trainerkurs für Frauen gewinnen. Ich habe gefragt: Moment, wer ist dran? Saudi Arabien? Ich habe ja mit allem gerechnet, aber damit nicht. Ich wurde gefragt, ob ich im Dezember den Trainer-Kurs machen kann und ich habe gesagt: Da bin ich dabei!“
In 85 Länder war die erfahrene Trainerin bisher aktiv – mit einem festen Ziel fest vor Augen: „In den 51 Jahren, in denen ich im Frauenfussball tätig bin, ging es für mich immer darum, den Frauen die Möglichkeit zu geben, Fussball zu spielen. Ich gebe Hoffnung, auch wenn ich nicht immer alles ändern kann. Ich gebe den Funken, das Feuer müssen sie selbst entfachen.“ Wieviel Engagement und Enthusiasmus die Frauen in Saudiarabien mit sich bringen, wenn es um den Fussball, damit hätte die 62-jährige Pionierin allerdings nicht gerechnet.
Ich kam hierher und es wurde gesagt, um 6:00 Uhr morgens fangen wir an. Morgens um 6:00 jemanden fit zu haben, das habe ich noch nirgendwo erlebt. Pünktlich um 6:00 kamen 24 Frauen und wollten anfangen zu trainieren. Ich habe gedacht, das gibt es nicht
Monika Staab, Gründungs-Trainerin und Sport-Koordinatorin Saudi-Arabiens
Ich habe mir die Frauen angesehen und sie waren voller Begeisterung, Leidenschaft und Elan. Sie haben dann 14 Tage lang mit mir diesen C-Lizenz-Kurs gemacht und sind jeden Tag pünktlich um 6:00 angetreten“, erzählt Staab und führt weiter aus: „Ich war in 25 Klubs in Dammam, Riyadh und Jeddah. Alle haben über 40 Spielerinnen. Die fahren teilweise über zwei Stunden ins Training. Ich kam mir vor wie früher wenn Du Fussball spielen wolltest, aber keinen Verein um die Ecke hattest. Die fahren zwei Stunden zum Training, trainieren und fahren zwei Stunden wieder zurück. All diese Frauen sind berufstätig oder studieren. Keine bekommt Geld dafür. Sie sind voller Leidenschaft dabei, sind davon überzeugt, dass ihr Traum jetzt in Erfüllung geht.“ Von diesem großen Engagement konnte sich auch FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura überzeugen, die in Riyadh mit Interessenvertretern des Fussballs und einflussreichen Persönlichkeiten der saudiarabischen Gesellschaft zusammentraf.
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Frauenfussballs wurde am 2. November 2021 erreicht, als Staab das erste Training mit der Nationalmannschaft absolvierte. 700 Spielerinnen hatten sich für die Nationalmannschaft registriert, die alle zu den Tryouts kamen und gesichtet wurden. 30 davon wählte Staab für ihr Team aus.
„Mitte Februar 2022 wollen wir auf den Malediven das erste Länderspiel durchführen. Warum auf den Malediven? Ich habe dort mit Bahrain mein erstes Länderspiel gehabt – 7:2 gewonnen. Mit Qatar mein erstes Länderspiel – 2:1 gewonnen. Auf meiner Ruhestands-Tour gebe ich mir nun Nummer drei“, so die die gebürtige Dietzenbacherin lachend.
Die wollen in zehn Jahren bei einer Frauen-Weltmeisterschaft dabei sein. Ich habe dann erst einmal gesagt: Easy, easy. Deutschland hat 21 Jahre gebraucht und ihr braucht nur zehn? Das geht nicht. Die haben ihren Traum und werden vom Präsidenten und dem GS des Fussballverbandes unterstützt. Was willst Du mehr?“
Was hier abgeht, das muss man gesehen haben. Es ist unfassbar und kaum greifbar. Diese Frauen spüren diese Freiheit, ihre Liebe für den Sport endlich öffentlich zeigen zu dürfen
Monika Staab, Gründungs-Trainerin und Sport-Koordinatorin Saudi-Arabiens
Es ist eine Herzensangelegenheit von Staab an dieser gesellschaftlichen Öffnung und Wende mitzuwirken. Neben der Betreuung der Nationalmannschaft gehört unter anderem die Ausbildung der Trainerinnen zu ihren Aufgaben. „In den letzten acht Wochen habe ich zwei C-Lizenz-Kurse abgehalten. Im Dezember mache ich die erste B-Lizenz mit den 24 Frauen, die ich letztes Jahr hatte“, beschreibt sie.
„Wir wollen insgesamt 13 regionale Trainingszentren mit U-13-; U-15- und U-17-Spielerinnen aufbauen – das Erste ist bereits fertig – und bis Ende des nächsten Jahres eine U-17-Frauen-Nationalmannschaft haben. Man ist hier auf dem richtigen Weg. Man weiß, dass man eine Basis schaffen muss. Wir haben Sieben,- Acht-, Neunjährige in dieser Akademie speziell für Mädchen. Die haben zweimal die Woche Training, die Eltern wollen sogar, dass sie dreimal trainieren. Man ist bereit in die Zukunft zu investieren. Ich habe mich mit vielen Eltern unterhalten, die total offen sind. 2003 hatte ich in Deutschland die ersten Eltern, die gesagt haben: Meine Tochter muss nicht ins Ballett, die darf Fussball spielen. Warum? Weil wir Weltmeister geworden sind.“
Im nächsten Schritt soll nun am 18. November 2022 die Liga gelauncht werden, die zunächst in drei Städten ausgetragen wird. Völliges Neuland für die Spielerinnen und eine weitere Herausforderung für Staab, die 2007 das Frauen-Nationalteam in Bahrain betreute und von 2013 bis Ende 2014 das Frauen-Team Katars.
„Letztes Jahr gab es ein Community-Tournament, aber alles auf einem Neunerfeld. Die haben noch nie auf einem Elferfeld gespielt. Das ist die Geschichte, die momentan geschrieben wird. Alles ist hier sozusagen Neuanfang und muss den Spielerinnen erst noch beigebracht werden. Das ist ein Abenteuer, das macht einfach Lust und Laune“, erzählt Staab mit einem Schmunzeln und bedankt sich zum Abschluss bei zwei ganz besonderen Frauen. „Ich habe mit Lamia Bahaian [Head of Women’s Football Department] und Adwa AlArifi [Deputy Minister of Planning & Development at Ministry of Sports] zwei Powerfrauen kennengelernt, denen ich zu verdanken habe, dass ich hier bin. Sie haben mich mit ihrer Leidenschaft, ihrem Engagement und ihren Träumen überzeugt. Ich möchte ihnen gerne helfen. Mit meiner Erfahrung, die ich im Frauenfussball und gerade der Entwicklung habe, glaube ich auch, das tun zu können.“ #