Als Netflix „Masameer County“ 2021 ins Programm aufnahm, führte es schnell die Zuschauercharts in Saudi-Arabien an. Die Welt rieb sich die Augen. Denn so viel öffentliche Alltagssatire hatte dem konservativen Königreich niemand zugetraut. Doch es ist und bleibt kompliziert.
Die Zeichentrick-Comedy „Masameer County“ war Saudi-Arabiens großer Durchbruch in der Welt der Comedy, zuerst veröffentlicht als kurze Videos auf Youtube. Der Online-Cartoon, der vom Ton her „South Park“ und „Family Guy“ ähnelt, erfreute sich wachsender Beliebtheit, während das Königreich soziale Reformen durchlief. Man musste kein Saudi sein, um ihn zu genießen. Denn, die Bürger von Masameer, einer fiktiven saudischen Metropole, leiden unter denselben alltäglichen Problemen wie wir alle: nervige virale Trends, verwöhnte Nepo-Babys, obsessive Online-Nerds, schlecht geführte Lieferdienste, die Pakete überall abstellen nur nicht beim Empfänger. Wie sich herausstellt, leben und lachen saudische Bürger wie wir alle.
Aber die saudischen Behörden haben wohl die ersten Jahre nur mit einem Auge gelacht. In einem inzwischen gelöschten YouTube-Video sagt Abdulaziz Al Muzaini, Produzent von Masameer County, dass ihm wegen der Show 13 Jahre Gefängnis und ein 30-jährigen Reiseverbot angedroht wurden. Der Fall werde bald vor dem Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens verhandelt, behauptete der Komiker. Update der Redaktion: Im Herbst 2025 schwebt das Verfahren noch, Abdulaziz Al Muzaini hat sein Animations-Studio geschlossen, seine Mitarbeiter entlassen, aber seine Kreativität behalten. Bereits Anfang des Jahres hat er seinen Realfilm „Lail Nahar“ herausgebracht.
Laut Muzainis ursprünglichem Video wurde er wegen Förderung von Homosexualität und Terrorismus angeklagt. Beide Anklagepunkte sind bei Zensoren überall im Nahen Osten sehr beliebt. Wobei letzterer auf einem ziemlich eklatanten Missverständnis von Satire beruht. So weiß in der ersten Folge der ersten Staffel von Masameer County ein verwöhnter reicher Mann namens Bandar nicht, wie man nach draußen geht und Eis kauft. Angelockt von dem Versprechen, im Himmel so viel Eis essen zu können, wie er will, schließt sich Bandar dem Islamischen Staat an, wird dann aber wegen Diebstahls von Eis aus dem Harem des Kalifen verjagt. Am Ende wird Bandar von einem amerikanischen Spion gerettet – der sich als Doppelagent für Al-Qaida entpuppt. „Krieg ist Betrug“, sagt der Spion, zeigt den Mittelfinger und schwingt eine Selbstmordweste. Bandar wacht im Krankenhaus mit einer Schüssel Eiscreme auf.

Aus guten Zeiten: Teamfoto von der Premiere der Staffel 2
Anfangs gab es keine Anzeichen dafür, dass sich die Behörden an der Machart der kleinen Videos störten. Arab News, im Besitz der saudischen Königsfamilie, veröffentlichte sogar Lobeshymnen über Masameer County. Muzaini und sein künstlerischer Partner Malik Nejer durften eine zweite Netflix-Staffel von Masameer County und einen abendfüllenden Live-Action-Comedy-Film drehen. Es gab sogar eine Masameer-Attraktion im Boulevard City, dem noblen Unterhaltungskomplex in der Innenstadt von Riyadh.
Kurz nach der ersten Netflix-Staffel hatten die Behörden jedoch heimlich ein Gerichtsverfahren gegen den Schöpfer eingeleitet. Nach Muzainis Darstellung ist der Fall das Ergebnis einer bürokratischen Abrechnung durch einen saudischen Medienregulierer. „Es scheint, als habe er in mir eine Person gefunden, über die er seine Autorität ausüben kann“, sagte Muzaini. Nachdem er das Video, in dem sein Urteil verkündet wurde, gelöscht hatte, veröffentlichte Muzaini ein weiteres Video, in dem er die Antikorruptionsinitiativen von Kronprinz Mohammad bin Salman lobte. Dann repostete er ein patriotisches saudisches Meme und eine Erklärung des königlichen Beraters Turki Al Sheikh, in der er die saudische Filmindustrie lobte. Leider erinnert Muzainis Situation daran, dass Fortschritt und Freiheit zarte Pflänzchen sind, die von einer Staatsgewalt jederzeit begrenzt werden können #